Samstag, 02. Juni  2018
Wir sind gerade in Jekaterinburg

 

 

„Hinter dem Horizont kommt noch ein Horizont. Ural, Du bist unsere Schatzkammer!“

 

So hatten die Babuschkas gestern in Jalym aus tiefster Seele gesungen. Und so haben wir es erlebt.

Wir durchquerten den Ural, dieses Grenzgebirge zwischen Europa und Asien. Es ging ein wenig hoch und runter aber wer sich Serpentinen und steile Pässe vorgestellt hatte, der lag falsch. Im südlichen Ural ist die Landschaft gerade einmal hügelig. Und immer, wenn man eine dieser leichten Steigungen geschafft hatte,

erschien in der Ferne der nächste „Horizont“.

 

 

Bald erreichten wir die Millionenstadt Jekaterinburg. Nach Moskau, Sankt Petersburg und Novosibirsk die viertgrößte Stadt Russlands. Am Ortseingang an einem festen Polizeiposten hatte Dima eine Liste mit den Namen und Autokennzeichen der Tourteilnehmer hinterlegt und uns alle vorgewarnt, daß wir dort angehalten werden zur Kontrolle der Pässe. So war niemand überrascht, als es dazu kam. Die freundlichen Polizeibeamten waren ab und zu auch am Innenleben eines Wohnmobils interessiert, bevor sie uns weiter in die große Stadt ziehen ließen. Welch ein Kontrast zu dem kleinen Dorf, das gestern unser Übernachtungsplatz war.

 

 

Überall bereitet man sich auf die Fußballweltmeisterschaft vor, was das Leben eines Reiseleiters in diesen Zeiten nicht einfacher macht.

Eigentlich war unser Stellplatz an einem Sportstadion von langer Hand abgesprochen gewesen. Nun aber hatte der Direktor des Stadions von den verschärften Kontrollen der Ausländer in diesem Zusammenhang gehört und wollte keinen Ärger bekommen. So bat er Dima, zunächst die Erlaubnis der Gebietspolizei einzuholen, als dieser uns vor ein paar Tagen zur Sicherheit nochmals telefonisch anmelden wollte.

 Gesagt getan! 

Dima suchte die Nummer der Gebietspolizei heraus, stellte sich vor, erklärte sein Ansinnen, beschrieb die komplette Reise und mußte darstellen, warum 36 Touristen auf die verrückte Idee kamen, so viele Kilometer in rollenden Datschas einmal quer durch Russland zu fahren.

Langer Rede kurzer Sinn: „Wir hätten gern die Genehmigung, wie letztes Jahr auch am Stadion in Jekaterinburg zu übernachten.“

Der Chef der Gebietspolizei hatte gut zugehört, verkündete dann aber, daß er nicht weiterhelfen könne, da er nicht zuständig sei. Dima möge doch bitte bei der Stadtpolizei direkt anrufen. 

Gesagt getan! 

Unser hauptverantwortlicher Reiseleiter trug sein Anliegen vor, erklärte, warum 36 Touristen auf die verrückte Idee kamen, so viele Kilometer durch Russland zu reisen und dann auch noch in ihren Fahrzeugen wohnen. „Und deshalb hätten wir gern die Genehmigung, wieder am Stadion in Jekaterinburg zu übernachten.“

Auch der städtische Polizeipräsident fühlte sich nicht zuständig und verwies Dima an die Straßenpolizei. Immerhin handelt es sich in der Hauptsache ja um Fahrzeuge. 

Gesagt getan! 

Wieder wurde die lange Geschichte vorgetragen. Wieder mußte Dima dem verblüfften Polizeibeamten am anderen Ende erklären, warum 36 Touristen auf die verrückte Idee kamen, Russland komplett zu durchqueren und zwar mit Häusern auf Rädern. So interessant die ganze Angelegenheit auch erschien aber der Chef der Straßenpolizei mußte passen. Nicht sein Zuständigkeitsbereich! Da es sich um ausländische Reisende handelt, muß die Tourismuspolizei eingeschaltet werden.

 

Gesagt getan!  

Den vollständigen absurden Lauf durch die Behörden zu schildern, würde den Rahmen dieses Berichtes sprengen. Nur so viel: Nachdem Dima sich die Finger wund telefoniert hatte und seine Stimme langsam heiser wurde, geriet er an einen Entscheidungsträger, der sich wunderte, warum der Reiseleiter denn überhaupt nachfragt. Es sei doch alles wie immer und selbstverständlich dürfe die Gruppe wieder am Sportzentrum stehen......

 

Und genau da stehen wir jetzt. Und zwar ganz wunderbar, mitten im Zentrum und doch ruhig mit unverbaubarem Wasserblick sowie Blick auf die Stadtverwaltung. Ob die von drüben auch zu uns rüberschauen und sich wundern, was das denn für verrückte Touristen sind, die da in ihren mobilen Datschas in Jekaterinburg Station machen?

 

 

Immerhin wurden wir freundlich von Cheerleadern begrüßt, bekamen extra für uns Strom gelegt, ein Duschzimmer zur Verfügung gestellt und freuen uns nun auf die morgige Stadtführung. Der Direktor des Sportkomplexes ist entspannt, daß alles seine Ordnung hat und unsere Gruppe ist froh, daß sie Dima hat, der gemeinsam mit dem gesamten Team für einen reibungslosen Ablauf dieser Reise sorgt.

 

 

Apropos Team! 

Die Tatsache, daß das gesamte Abenteuer-Osten-Team weltweit vernetzt ist, hat uns schon heute Morgen zum Schmunzeln gebracht. Sascha schickte an diesem 2. Juni (!) ein Mini-Video in die WhatsApp-Gruppe des Seidenstraßen-Teams. Inhalt: Schneetreiben auf dem Weg nach Jekaterinburg.

 

Es dauerte genau 9 Minuten, da kam ein Antwortvideo von hoher See herein. Inhalt: 360 Grad Ansicht von einer Schleppfähre voller Wohnmobile.

Text dazu: 33 Grad, angenehm kühler Wind.

Geschickt hatte es Jörn, unser Asien-Spezialist, der zu unserer Gruppe in Kirgistan stoßen wird nach der Ausreise aus China. Derzeit überführt er die Wohnmobile auf der Landweg-Australien-Tour von Malaysia nach Sumatra.

Abenteuer Osten ist eben überall.

Jörn, bis bald!


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