Samstag, 18. Februar  2017
Wir sind gerade in Grootfontein

24. Tag: Bagani - Grootfontein  460 Kilometer

 

 

AFRIKA, its not a holiday. Its an adventure!

 

Eine unspektakuläre, größtenteils schnurgerade, weitgehend schlaglochfreie, verkehrsarme Strecke war heute unser Tagespensum. Wir haben damit den Caprivi-Zipfel verlassen und sind nun im zentralen Namibia angekommen. 

Eigentlich dachten wir, daß dies die einzige Meldung des Tages sein würde. Abgesehen davon, daß wir auf einer privaten Wildfarm übernachten und in diesem Bush Baby Camp auch noch ein Kuga-Essen bekommen sollten.

 

 

So weit - so gut. Dann kam es allerdings doch noch zu Ereignissen, die erwähnenswert wurden. Namibia zählt zu den trockensten Ländern der Erde. Seit fünf Jahren hatte es nicht mehr wirklich geregnet. Aber ausgerechnet jetzt, wo unsere Reisegruppe hier unterwegs ist, schüttet es wie aus Kübeln. Kaum waren die meisten im Bush Baby Camp eingetroffen, umfing uns ein heftiges Gewitter und setzte mit einem Wolkenbruch das komplette Gelände unter Wasser.

 

 

Zur abendlichen Fahrerbesprechung mit anschließendem Wildessen erschienen die meisten Teilnehmer in Badeschlappen und Regenzeug.

 

 

 

Auch wenn unsere Marlies auf dem Foto oben so nett lächelt, wollen wir doch nicht verschweigen, daß nicht alles rund läuft auf dieser Tour. Nicht jeder hatte sich offensichtlich im Vorfeld mit der Tatsache befaßt, daß die Reise auf einen anderen Kontinent führt und wir die gewohnte europäische Zivilisation ein Stück weit hinter uns lassen. Wir haben nicht immer alle Strom, auch wenn es Teilnehmer gibt, die sich gern jederzeit die Haare föhnen möchten. Wir haben jedoch immer genug Strom für Medikamente, die gekühlt werden müssen.

 

Wir haben nicht immer ebene Plätze mit Rasen vor der Tür und gefegte Zufahrten. Nein, heute zum Beispiel hatten wir eine Anfahrt, die den Fahrern einiges Geschick abverlangte, denn die starken Regenfälle hatten den ohnehin schmalen, matschigen Weg in eine schlammige Motorcross-Strecke verwandelt. Aber wozu tragen wir fast alle die bunten T-Shirts mit der markanten Aufschrift: "AFRIKA, its not a holiday. Its an adventure!"?

 

 

In unserm Camp wurde das Duschwasser mit einem Holzfeuer erhitzt, die Toilettentüren klemmten und auf den Wegen stand zum Teil knöcheltief der Matsch. Aber hej, wir sind in Afrika! Mitten drin im Abenteuer. Und wir Reiseleiter müssen natürlich an alle unsere "Schäfchen" denken und reservieren die festen einfacher zu erreichenden Stellflächen schon mal für unsere beiden Iveco-Alkovenfahrzeuge, die mit Frontantrieb und Automatikgetriebe in der schlammigen Zufahrt vielleicht stecken geblieben wären, während unsere Mercedes Sprinter zwar hinterher aussahen als hätten sie an der Rallye Paris - Dakar teilgenommen aber zumindest fuhr sich niemand fest........fast niemand. Doch dazu später.

 

Wir erwähnen diese Details deshalb, damit auch die Daheimgebliebenen wissen, daß diese Tour kein Zuckerschlecken ist - weder für die Teilnehmer noch für uns Reiseleiter. Manchmal haben wir nämlich das Gefühl, man muß einen Universitätsabschluß in Pädagogik und eine langjährige Ausbildung als Mentaltrainer haben, um so eine relativ große Gruppe in schwierigem Terrain zu führen. Zum wiederholten Mal mußte Kathrin im Rahmen der Fahrerbesprechung einige Teilnehmer daran erinnern, daß wir gemeinsam ein Abenteuer zu bestehen haben......und wenn man die Augen schließt, dann klingt der Regen wie Applaus. 

 

Das wichtigste aber, woran Kathrin erinnerte, war: "Es gibt immer, aber wirklich immer einen Grund, um dankbar zu sein. Findet ihn!" In dem Moment als diese Worte ausgesprochen waren, klingelte das Telefon und in mehreren immer wieder abgehackten Gesprächsfetzen, teilte ein Teammitglied, über dessen Abwesenheit wir uns bereits Sorgen gemacht hatten, mit, daß er im starken Regen an der richtigen Abfahrt vorbei gefahren und an einem Hang in rutschigem Gelände von der Piste abgekommen sei und nun fest stecke.

 

Was nun? Hatte uns das Schicksal diese Prüfung auferlegt, um allen zu demonstrieren, was wirklich wichtig ist im Leben? Wir Reiseleiter sind uns sicher, daß in dem Moment kein einziges Gruppenmitglied, das vorher noch geschimpft hatte über die Umstände im Allgemeinen, den Regen, den Matsch, den fehlenden Strom oder die Tatsache, daß Plätze freigehalten worden waren (welche Ungerechtigkeit!), daß wirklich keiner seinen "Scheißplatz" wie sich jemand ausdrückte, mit Hans und Ulla am Abhang tauschen wollten. Die beiden waren nämlich nun auf Hilfe angewiesen.

 

 

Das Foto gibt die Brisanz der Situation nicht im geringsten wieder.

Links im Gras wurden die Räder von kleinen Felsen blockiert, der Berg war so steil, daß auch die zehn starken Männer, die sofort zur Hilfe geeilt waren, das Wohnmobil hätten niemals halten oder anschieben können.

Hinzu kam, daß wir alle für solch eine Bergung nicht wirklich das richtige Schuhwerk anhatten.

 

Oberhalb von dem Camper war eine Lodge, auf der zu diesem Zeitpunkt ausgerechnet kein Fahrzeug stand, dahinter Sackgasse! Das Wohnmobil konnte aber auch von keinem Jeep passiert werden, da rechts im Gras und Gebüsch hohe Felsen versteckt lagen. Also war Abschleppen nahezu ausgeschlossen. Glücklicherweise kontaktierte der Besitzer der Farm einen Mitarbeiter, der einen alten Traktor beschaffte. Auch dieser kam mit seinen hohen Rädern zunächst nicht rechts vorbei. Erst als eine Art Rampe gebaut wurde, um auf die Felsen aufzufahren, bekamen wir den Traktor nach oben vor das steckengebliebene Fahrzeug.

 

 

Mittlerweile drohte die Dunkelheit hereinzubrechen.

Ein Jeep nahm das Wohnmobil von unten an den Haken einer Seilwinde und die tapferen Männer in Badeschlappen versuchten derweil, das Fahrzeug seitlich zu stabilisieren.

Keine leichte Aufgabe!

 

 

Dann wurde ein nicht gerade vertrauenswürdig aussehendes Seil an der Abschleppöse befestigt und der Traktor zog mit voller Kraft den Verunglückten aus dem Schlamassel. 

 

 

 

Wie man sich denken kann, war der Jubel groß, als die Helden zum Rest der Gruppe dazustießen und Erfolg verkünden konnten. Daß alle anderen hungrig an gedeckten Tischen warten mußten, bis die Bergungsaktion vorüber war......daß unser Gruppenessen inzwischen ziemlich kalt geworden war und die Eland-Antilopen-Steaks mit großer Verspätung serviert wurden......und daß das Camp bei Sonnenschein und trockenem Boden sicherlich attraktiver gewesen wäre......das alles und noch viel mehr störte an diesem Abend absolut niemanden mehr. Wie so oft hatten wir als Gruppe funktioniert und Erfolg gehabt, wo ein Einzelner gescheitert wäre - und wir waren dankbar, daß dieses Abenteuer so ein gutes Ende genommen hatte. Wir waren dankbar, daß bei dem Starkregen alle Fahrzeuge dicht sind und würden sicher noch mehr Gründe finden, einfach einmal dankbar zu sein.

 

Morgen wollen wir in die Etosha Pfanne und dann sollen wieder die afrikanischen Wildtiere die Hauptrolle spielen.


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