Mittwoch, 29. August  2018
Wir sind gerade in Kirgistan eingereist und stehen in der Nähe vom Chatyr-Kölsee

 

 

Shì Dào Lín Tóu

(Die Dinge spitzen sich zu).....oder „Im letzten Moment“

 

Der anstrengendste Tag der gesamten Reise liegt hinter uns. Der 107. der Seidenstraßen-Tour und der letzte in China! Wir mußten heute definitiv bis Mitternacht ausreisen und zwar mit allen Fahrzeugen, mit denen wir am

18. Juli am anderen Ende von China eingereist waren. In Anbetracht dessen, daß unsere Reisegefährten Renate & Manfred aus gesundheitlichen Gründen die Gruppe vorzeitig mit einem Ambulanzflieger verlassen mußten, kein leichtes Unterfangen.

 

Es war ein zugegebenermaßen unflauschiger Tag, der in Kashgar bei Dunkelheit seinen Anfang nahm und

glatte 19 Stunden später in tiefer Nacht auf einer windigen Hochebene in Kirgistan sein Ende fand. 

 

Wir wollen nicht zu sehr ins Detail gehen. An solchen Tagen liegen erfahrungsgemäß die Nerven immer ein bißchen blank. Es fängt an bei Ausfahrtnummern von Autobahnen, die sich seit dem Vorjahr geändert haben und geht weiter über Bestimmungen, die neue Formulare verlangen. So erforderte bereits der Start in die langwierigen Ausreiseprozeduren viel Geduld, bis wir überhaupt in den Zollhof eingelassen wurden, um alle Fahrzeuge einer Art Röntgen-Durchleuchtung zu unterziehen. Fotografieren ist natürlich überall verboten.

 

 

Daher können wir die einzelnen Stationen unserer Ausreise nicht bebildern. Wer hätte schon auf diese Weise das Scheitern der gesamten Mission gefährden wollen? Wir mußten mehrmals umparken und zu einem weiteren Gebäude umziehen. Wir mußten - ungelogen - an diesem letzten Tag auf chinesischem Territorium siebenmal unsere Pässe vorzeigen und wir mußten nachdem die Fahrzeuge mehrfach untersucht und unser Ausreisestempel bereits im Pass glänzte noch zwei Stunden sinnlos herumstehen, bis die chinesischen Zollbeamten ihre Mittagspause beendet hatten, um für uns die Schranke zu öffnen. 

 

Als wir den Zollhof, an dem wir um 10 Uhr angekommen waren, um 17:30 Uhr endlich verlassen durften, schien sich eine komplett andere Welt aufzutun. Wir fühlten uns wie Alice im Wunderland nachdem sie durch das Loch im Kaninchenbau geklettert war. Wir waren plötzlich umgeben von einer traumhaft schöner Bergwelt und fuhren angeführt von einem Begleitfahrzeug, das uns sicher bis zum letzten Checkpoint auf 3750 m bringen sollte, langsam aber sicher bergan.

 

 

Jetzt hieß es schauen und genießen! Ein wunderschönes Tal breitete sich vor uns aus.

 

 

Wir Reiseleiter warfen zwar ab und zu einen Blick auf die Uhr, die unaufhaltsam in Richtung Mitternacht tickte aber noch war ja alles im grünen Bereich. Wer konnte ahnen, was sich uns vielleicht noch alles in den Weg stellen würde an einem solchen Tag? Wie zum Beispiel eine Höhenbeschränkung im Nirgendwo!

Zum Glück paßten alle durch....

 

 

Oder ein Steinschlag, der unvermittelt niedergehen würde. Beweise gab es genug, daß dies nicht nur ein theoretisches Szenario war.

 

 

Eine weitere Passkontrolle gute 20 Kilometer später kostete uns wieder mehr als eine Stunde. Die zauberhafte Bergkulisse lenkte aber von Gedanken an die verfliegende Zeit ab.

 

 

Die wechselnden Farben der Felsen im Abendlicht entschädigten für alle Mühen des Tages. Und doch krochen

wir die Pass-Straße hinauf in dem Bewußtsein, daß noch mehr Kontrollen auf uns warteten. Würden wir die

Ausreise pünktlich schaffen?

 

 

Manchmal mußten wir einer Schafherde Vorfahrt gewähren. Manchmal war die Straße zur Hälfte verschüttet. Würde sie bis zur Passkrone durchgängig befahrbar sein?

 

 

Dann rissen uns tiefe Löcher jäh aus unseren Gedanken. Hier mußte in einen ganz kleinen Gang zurück geschaltet werden. Unsere Aufenthaltsgenehmigung hatte nur noch ein paar Stunden Luft nach oben. Bei dem Tempo, mit dem wir um die Löcher lenkten, würde es knapp werden. Besonders gefordert war Maja. Sie hatte sich angeboten, Renate & Manfred den Gefallen zu tun und ihr verwaistes Wohnmobil über die Grenze zu fahren. Was natürlich auch für uns Reiseleiter ein unschätzbarer Dienst war. Es galt nämlich die Devise: Entweder alle oder keiner! Maja mußte mit einem fremden Fahrzeug auf dieser zunehmend schlechter werdenden Straße den Pass hinauf fahren.

An dieser Stelle ein großes Dankeschön dafür!

 

 

Über die Warnschilder konnten wir uns nur wundern. Wer würde schon in dieser traumhaften Kulisse einschlafen und dann bei diesen Straßenverhältnissen. Natürlich waren alle hellwach!

 

 

Ein Grenzsoldat kam uns fröhlich entgegen. Vielleicht war seine Schicht gerade zu Ende gegangen.

Wir waren zu diesem Zeitpunkt noch weit vom Feierabend entfernt. Und die Uhr tickte und tickte.

 

Irgendwann hatten wir eine Höhe von 3500 m erreicht. Oh je! Viele LKWs standen zur Abfertigung in einer langen Schlange. Das konnte dauern! Gottseidank durften wir an allen vorbei fahren. Glück gehabt! Wir erreichten ein geschlossenes Tor. Kein Grenzpersonal weit und breit! Pech gehabt! Nun hieß es warten. Da waren wir ja inzwischen in Übung. Das Thermometer hatte nur noch 3 Grad plus. Ein heftiger Wind zeigte uns, daß wir uns in alpinen Höhen befanden.

 

 

Einige kochten Tee oder heiße Schokolade, belegte Brote wurden geschmiert, lange Hosen und dicke Jacken angezogen.....doch am Tor blieb alles ruhig. Nach einer gefühlten Ewigkeit von 75 Minuten kam Bewegung auf. Soldaten erschienen, prüften erneut unsere Pässe und schickten uns mit einem militärischen Führungsfahrzeug auf die endgültig letzte Etappe in China, auf die letzten 250 Höhenmeter hinauf zum letzten Checkpoint, zum letzten Tor der Volksrepublik. Wir fuhren fünf Kilometer in Serpentinen auf einer komplett eingezäunten Straße.

Die Nacht brach herein!

 

 

Aus dem Führungsfahrzeug sprangen dieselben Grenzsoldaten, die uns zuvor am letzten Tor kontrolliert hatten. Sie trugen blinkende Schulterstücke und fragten in der eisigen Kälte der Passhöhe, ob wir Lebensmittel dabei hätten. Sie schienen hungrig. Für uns alle unverständlich kontrollierten sie erneut die Pässe. Nach fünf Kilometern auf mit Stacheldraht eingezäunter Straße, auf der sie uns hautnah begleitet hatten, kontrollierten sie erneut die Pässe. Wir hinterfragten das Prozedere nicht. Für uns war nur wichtig, daß sie den Schlüssel dabei hatten für das schwarze Tor, das die letzte Hürde unserer Ausreise sein sollte. Was hätte das für Fotos gegeben! Schlotternde rotblau blinkende Soldaten, die ein Tor öffnen für 21 ausreisewillige Reisemobile mit ihrer müden Besatzung! 

 

Um 21:54 Uhr fuhr der erste von uns ins Niemandsland zwischen China und Kirgistan, um 22 Uhr schloß sich das schwarze Tor auf 3750 m Höhe hinter uns. Wir hatten es geschafft! Sechs Kilometer später sahen wir die Lichter der kirgisischen Grenze in der Ferne leuchten. Was für ein Abenteuer!

 

 

Um Mitternacht konnten wir auch diese Grenze passieren und rollten nun auf guter Straße bergab zu unserem Übernachtungsplatz. Ach ja, in Kirgistan bekamen wir zwei Stunden geschenkt durch die Zeitumstellung......

wenn das nichts ist?  


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