Samstag, 30. Juni  2018
Wir sind gerade in Ulan-Ude

 

 

„Reisen veredelt den Geist und räumt mit unseren Vorurteilen auf“ 

 

So schrieb einst Oscar Wilde und wir Berichterstatter wollten heute am 47. und letzten Tag in Russland überprüfen, ob er recht hat. Dazu verteilten wir kleine DIN A6 Zettel an die Tour-Teilnehmer und baten sie, Antworten auf genau zwei Fragen darauf zu schreiben:

 

1. Wie hat Euch Russland gefallen?

2. Was war anders als Ihr es erwartet, erhofft oder befürchtet hattet.

 

Die Papierblätter waren bewußt so klein gewählt und die Ausfüllzeit bis zum abendlichen Meeting kurz gehalten, um spontane, kurze Aussagen zu bekommen. Es zeigte sich, daß die Antworten größtenteils deckungsgleich waren. Der allgemeine Tenor lautete: So schön hatten wir uns Russland nicht vorgestellt!

 

 

Auf praktisch jedem Zettel stand: Positiv überrascht! Meist wurde im Detail erwähnt: Freundliche, hilfsbereite Menschen, gute Fernverbindungen, Straßen besser als erwartet (außer in Baustellen!), reichhaltige Versorgungsmöglichkeiten, dichtes Tankstellennetz, wunderschöne, abwechslungsreiche Landschaft.

 

Es prasseln auf dieser Reise täglich so viele Eindrücke auf uns nieder, die man häufig kaum in Worte fassen kann. Sehr konkret fiel unserer Gruppe auf:

 

Die tiefe Frömmigkeit der russisch-orthodoxen Gläubigen.

Die Tatsache, daß fast niemand Englisch spricht.

Die westliche Orientierung mit bekannten Ketten wie Mac Donalds, Ikea, Obi und anderen.

Die Tatsache, daß sich die Mode praktisch gar nicht von unserem gewohnten Bild unterscheidet

mit Jeans gespickt mit Sollbruchstellen.

Der unerwartet dichte LKW-Verkehr.

Das gar nicht so einsame Sibirien.

Das gute Essen auch in einfachen „Cafés“ am Straßenrand.......

 

Wir könnten die Aufzählung noch fortsetzen......mit dem Wohlstandsgefälle zwischen Stadt und Land, das größer ist als erwartet und den sibirischen Blumenwiesen, die bunter sind als man es sich hätte je träumen lassen. Insgesamt waren sich alle einig, daß Russland ein Land ist, das man jederzeit wieder bereisen könnte.

 

 

Natürlich gibt es auch Eindrücke, die uns in Staunen versetzen und die Augenbrauen hochziehen lassen. Zum Beispiel die Mentalität, vieles Kaputte so lange schief und krumm hängen zu lassen, bis es ganz abfällt. Ganze Häuser verfallen zu lassen und Straßen - besonders in Städten - wie lebende Tote dahinsiechen zu lassen.

Toiletten anzubieten, bei denen manch einer aus der Gruppe dachte „Da stelle oder hocke ich mich lieber hinters Gebäude, als das Trauerspiel im Inneren ertragen zu müssen....“

(Um ehrlich zu sein, dachte man es nicht nur, sondern ließ diesen Gedanken Taten folgen.)

Und wo wir schon beim Thema sind, erstaunte uns die Angewohnheit, benutztes Klopapier nicht in die Toilette, sondern in einen daneben stehenden Papierkorb zu werfen.

 

Andere Länder andere Sitten! Aber das nur nebenbei! 

Insgesamt spürten wir ein haltloses Zugeneigtsein gegenüber diesem dann doch gar nicht so fremden Russland. Wir haben Respekt empfunden für die Menschen, die im kurzen sibirischen Sommer auf riesigen Baustellen schuften, um die Fernstraßen für ihren Personen- und Güterverkehr instand zu halten und eben auch für Leute wie uns, die mit Reisen ihren Geist veredeln und mit ihren Vorurteilen aufräumen wollen. 

 

Wir fragten uns oft, wie die Bewohner Sibiriens es hinbekommen, hier zu leben. Besonders im langen, eisigen Winter. Aber irgendwie bekommen sie es hin, denn sie sind hier zu Hause und sind stolz auf ihre Heimat. 

Die Menschen in diesem Teil der Welt sind deutlich anders. Häufig sehen wir kein Lächeln, kein Kopfnicken, nur einen prüfenden Blick in scheinbar mürrischen Gesichtern.

Wenn man aber mit Gesten oder gar eine paar Brocken Russisch und sei es nur einem „Spasiba“ einem Dankeschön, mit ihnen in Kontakt kommt, dann entlockt man den Russen ein Lächeln und findet hinter dieser verschlossenen Fassade sehr bald hilfsbereite interessierte Menschen.

 

Menschen, die dankbar sind, daß wir Europäer die weite Reise auf uns genommen haben, um ihr Land kennen zu lernen. Diese Dankbarkeit wurde uns immer wieder sehr deutlich vermittelt. 

 

Unsere bleibende schöne Erfahrung dieser Reise ist, daß wir erstaunlich glücklich gewesen sind in diesem Russland, das in europäischen Medien noch immer als Land dargestellt wird, das Spione vergiftet und Sanktionen verdient. Die Russen selbst empfinden diese Sanktionen als große Chance, die eigene Wirtschaft wieder auf die Beine zu bekommen, ohne die Konkurrenz aus dem Ausland.

 

Auch wenn nicht alles so perfekt ist, wie es zumindest vordergründig in Europa scheint, so sind wir tief beeindruckt vom Improvisationstalent der Menschen, für die es ein „gibt‘s nicht“ einfach nicht gibt.

Mehrere Teilnehmer dieser Tour konnten am eigenen Fahrzeug erleben, wie man auf russisch repariert.

Auch das wird uns in Erinnerung bleiben.

 

Länder, die man bereist, werden Teil der inneren Landkarte. Man bleibt ihnen für immer irgendwie verbunden. In diesem Sinne До свидания! Da swidanja! Auf Wiedersehen Russland!

 

PS. Heute haben wir zur Bebilderung des Textes besonders schöne Fotos von unseren Tour-Teilnehmern verwendet.

Danke dafür!


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