Das ist die Berliner Luft

Ja, ja, ja, das ist die Berliner Luft, Luft, Luft,
so mit ihrem holden Duft, Duft, Duft,
wo nur selten was verpufft, pufft, pufft,
in dem Duft, Duft, Duft,
dieser Luft, Luft, Luft.
Das macht die Berliner Luft!

Unvergessliche Tage in Berlin im November 2009

Placido Domingo hat diesen weltbekannten Militärmarsch, die heimliche Hymne der Berliner, am 09.11.09 zum 20. Jahrestag des Mauerfalls im strömenden Regen am Brandenburger Tor geschmettert und wir waren dabei...

Bereits zwei Tage vor dem großen „Fest der Freiheit" werden auf 1,5km Länge mehr als 1000 bunt bemalte Dominosteine entlang des ehemaligen Mauerverlaufs aufgestellt.

Seit Monaten hatten Schüler, Politiker und besondere Organisationen wie z.B. Amnesty International die 2,5 m hohen Styroporteile sehr individuell gestaltet und damit eine Kunstgalerie geschaffen, die zum Staunen und Verweilen einlädt.

Damit die Kettenreaktion nicht vorzeitig ausgelöst wird, werden die kleinen Kunstwerke Tag und Nacht bewacht. Da am Wochenende vor dem großen Event mildes, sonniges Wetter herrscht, lassen wir uns treiben und genießen die freudig erregte Stimmung in der Hauptstadt.

An wenigen Stellen werden bis zum Nachmittag des Gedenktages Übergänge offengehalten aber irgendwann sind Ost und West wieder getrennt, werden die Wege lang in Berlin und man bekommt einen kleinen Eindruck davon, was es für ein Gefühl ist, in einer geteilten Stadt zu leben. Ausgerechnet als es ernst wird, am D-Day - sprich Dominoday - öffnet der Himmel alle Schleusen und wir stehen mit hundertausend friedlich Feiernden zwischen Reichstag und Brandenburger Tor und werden ziemlich naß. Aber wir erleben hautnah den lustvollen Fall der Mauer als perfekte Inszenierung, als bunte Performance.  

 

Im Rahmen der Feierlichkeiten hatte es die verschiedensten Events gegeben. Eine spektakuläre Aktion stand unter dem Zeichen: „Engel über Berlin". Plötzlich erschienen acht Engel mit vier Meter Flügelspannweite auf den Dächern und verkörperten jeder auf seine Weise eine poetische Geschichte zur geteilten Stadt.

 

Auch wenn gerade kein besonderer Anlaß Berlin in eine Partymeile verwandelt, so gibt es doch so unglaublich viel zu sehen und zu erleben, daß man wahrlich mehr als nur ein Wochenende in der Bundeshauptstadt verbringen kann. Wir fangen unsere Besichtigungstour mit dem Regierungsviertel an, das durch seine bombastische Architektur besticht.

So tragisch die Teilung der Stadt auch gewesen war, so war das unglaubliche Platzangebot nach dem Fall der Mauer für die Städteplaner ein Glücksfall. Wo sonst gibt es in einer Millionenstadt im Zentrum so eine große unbebaute Fläche, die dann in ihrer Gesamtheit erschlossen werden kann. Das Bundeskanzleramt, noch zu Zeiten von Helmut Kohl geplant und von den Berlinern respektlos "Bundeswaschmaschine" oder auch "Kohllosseum" genannt, bildet zusammen mit dem Paul-Löbe-Haus und dem Marie-Elisabeth-Lüders-Haus das Band des Bundes am Spreebogen. Der Eindruck des Zusammenhangs wird durch die Spreebrücken noch verstärkt, die den Kanzlergarten mit dem Bundeskanzleramt und das Haus der Ausschüsse mit Archiv und Bibliothek des Bundestages verbinden.

So wie sich der Reichstag in der gigantischen Fensterfront spiegelt, erkennt man unschwer, daß der Sitz des Bundestages gleich nebenan ist.

Seit September 1999 ist hier wieder der Parlamentssitz und seither stehen die Menschen bei jedem Wetter in endlosen Schlangen an, um dieses ehrwürdige Gebäude zu besichtigen. Der Besuch ist zwar kostenlos, die Sicherheitskontrollen lassen den Menschenstrom aber nur schubweise vorrücken.

 

Wir umgehen das Anstehen durch eine vorab organisierte Führung, die uns auch in den Genuß eines kurzweiligen Vortrags im Plenarsaal und auf die gläserne Kuppel bringt.

Die meisten Regierungsgebäude kann man im Rahmen einer kostenlosen Führung besichtigen, wenn man sich über besucherdienst@bundestag.de, per Telefon 030 227 32 548 oder per Fax 030 227 30 027 anmeldet.
Diese Führungen stehen im Einklang mit dem erklärten Willen der Regierenden, das Schaffen der Politiker transparent zu machen. Zumindest hat Stephan Braunfels, der Architekt von Lüders - und Löbe- Haus, durch seine offene Planung mit riesigen Glasfronten diesen Gedanken auch umgesetzt. Wir besichtigen diese Orte des politischen Schaffens zwar nicht, werden aber immer wieder angezogen von diesen einladend offenen Häusern und werfen nur einmal einen Blick durchs Fenster oder lassen die Fassaden bei Dunkelheit auf uns wirken.

Die meisten Besucher scheinen aber in Berlin zunächst nur ein Ziel zu haben und das heißt „Brandenburger Tor".

Während der schicksalhaften Teilung der Stadt konnte man von Westberlin aus lediglich einen Blick auf dieses imposante Wahrzeichen Berlins werfen. Nun aber schreiten wir - wann immer wir in der Bundeshauptstadt sind - stolz zwischen den Säulen hin und her, sozusagen zwischen Ost und West, und freuen uns, daß dieses düstere Kapitel der Geschichte zu Ende ist. Ganz und gar vergessen sind die DDR-Organe allerdings nicht. Findige „Künstler" stehen in Vopo-Uniform regungslos herum und warten auf einen kleinen Obolus der Touristen, die sich mit ihnen fotografieren lassen wollen.

Der Pariser Platz auf der Ostseite des Brandenburger Tores ist inzwischen wieder vollständig von Gebäuden umgeben.

Der Neubau der amerikanischen Botschaft (oben links im Bild) hat im Jahre 2007 die letzte Lücke geschlossen. Neben der Französischen Botschaft, der Dresdner Bank und einer weiteren Bank ist die Akademie der Künste, die Günther Behnisch mit seiner umstrittenen Glasfassade versehen hat, in diesem illustren Kreis zu finden.

Abgesehen von einem sehenswerten Treppenhaus und den alten Sälen, die den Krieg überlebt haben und vom Architekten in den Neubau mit einbezogen wurden, hat dieses auffällige Gebäude aber auch noch eine ganz profane Anziehungskraft. In der Halle im Erdgeschoß hat Sarah Wiener ein kleines Bistro und im ersten Untergeschoß findet man öffentlich zugängliche Toiletten, die man ja manchmal verzweifelter sucht als die nächste Sehenswürdigkeit...
Die Akademie hat zur Linken mit dem Hotel Adlon einen prominenten Nachbarn. Auch diese Nobelabsteige wurde nach der Wende von Grund auf neu gebaut, was man der Fassade nicht ansieht.

Nur wenige Schritte hinter dem Adlon stolpert man geradezu unvermittelt in ein offenes Denkmal. Die 2711 unterschiedlich hohen Betonstelen, von 2003 bis 2005 nach Plänen des Architekten Peter Eisenman erbaut, sind in einem vollständig begehbaren Raster angelegt und überlassen es dem Besucher, seinen Weg hinein und wieder heraus zu finden. Es ist das Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Die dunklen Steine, die kerzengerade und zum Teil übermenschlich groß genau rechtwinklig ausgerichtet schweigend dastehen, erwecken bestimmt bei jedem Betrachter unterschiedliche Assoziationen. Unberührt bleibt sicherlich niemand.

Berlinbesucher haben kurze Wege. Einen weiteren Steinwurf entfernt befindet sich der Potsdamer Platz. Mit seinem extravaganten Dach und dem bekannten IMax-Kino, in dem die großen Filme ihre Deutschlandpremiere feiern, ist er weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Wir sind hier einmal unvermittelt in eine völlig neben sich stehende, kreischende Teenager-Menge geraten, als die Bandmitglieder von Tokio Hotel gerade über den roten Teppich schritten.

Am Potsdamer Platz ist zwar ein neues Einkaufszentrum entstanden aber der wahre Konsumtempel ist und bleibt wohl das Kadewe. Dieses sogenannte „Kaufhaus des Westens" muß den Bürgern im Ostteil der Stadt wohl immer als Inbegriff der Dekadenz vorgekommen sein oder aber als Schlaraffenland. Noch heute ist alles extrem überladen und schon Anfang November herrscht hier Weihnachtsstimmung. Immerhin ist dieser Ort des Kaufrauschs an allen vier Adventssonntagen geöffnet...

Überhaupt scheint in der Bundeshauptstadt die Weihnachtszeit ein paar Wochen länger zu dauern als anderswo. Rund um die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche am Kurfürstendamm finden wir den Weihnachtsmarkt schon fast vollständig aufgebaut und der große Nikolaus in der Mitte der vier Fahrspuren ist inzwischen schon fast ein winterliches Wahrzeichen am Kudamm. 

Auch an der Fassade des zur Fußball WM 2006 in Betrieb genommenen neuen Hauptbahnhofs sehen wir zu, wie todesmutige Kletterer Leuchtsterne anbringen.

Der ehemalige „Lehrter Bahnhof" hat kolossale Dimensionen. Hier kreuzen sich Nord-Süd und Ost-West Strecken der Intercitys. Eine Halle liegt 15 Meter unter der Erde und die Lage direkt am Wasser hat den Bau nicht gerade einfacher gemacht. Taucher haben den Boden betoniert und die Spree mußte während der Bauphase jahrelang umgeleitet werden. Obwohl wir wie immer mit unserem Wohnmobil und nicht per Zug angereist sind, haben wir lange staunend in den Hallen gestanden und die schiere Größe auf uns wirken lassen.

 

Es scheint, als ob einfach alles größer ist in der Hauptstadt. Hier gibt es nicht einfach mal ein Museum.

Hier gibt es eine ganze Museumsinsel.

Die einzelnen klassizistischen Gebäude waren zwar zum Teil zerstört worden, wurden aber alle im alten Stil erhalten und im Oktober 2009 konnte als letztes nun auch das „Neue Museum" wieder eröffnet werden. Hier ist für die weltberühmte Büste der Nofretete der gesamte „Nord-Dom" reserviert.

Apropos Dom - auch der Berliner Dom ist natürlich mit Superlativen belegt. Als Hauptkirche der Hohenzollern stehen in der frei zugänglichen Gruft etwa 100 Särge des Herrschergeschlechts aus fünf Jahrhunderten. Viel sehenswerter als die „Leichenhalle" ist allerdings das prächtige Kirchenschiff. Vom Dach des Doms haben wir das Foto der Museumsinsel machen können und auch ein kunstvolles ins Gras getrampeltes Herz im Vorgarten des Gotteshauses fiel uns ins Auge.

Auch auf die Siegessäule kann man klettern und einen Rundumblick genießen. Dort oben ist man dem güldenen Engel, der „Goldelse" - wie die Berliner sagen - ganz nah.

Da wir unsere Besichtigungstour der Hauptstadt ausgerechnet im November eingeplant hatten, ist der Himmel auf den Fotos oft grau. Dafür konnten wir viele Gebäude und Sehenswürdigkeiten auch im Dunkeln betrachten, denn ab 16:30 Uhr war nicht mehr viel Tageslicht vorhanden. So haben wir aus der Not eine Tugend gemacht und einige Nachtfotos geschossen. Hier ein paar Impressionen:

Aber auch tagsüber haben viele Bauten eine starke Ausstrahlung. Man könnte eine ganze Woche herumlaufen und nur die verschiedenen Botschaften fotografieren, die fast alle eine faszinierende Architektur zu bieten haben. Aber das wäre ein vollständiger Bericht für sich... Wir beschränken uns hier einmal auf das Innenministerium und das Auswärtige Amt. Gigantisch, oder?

Auch der berühmten Statue von Willy Brandt im SPD-Hauptquartier haben wir unsere Referenz erwiesen. Im Rahmen der Ausgewogenheit zeigen wir natürlich auch das CDU-Haus.

 

Schloß Bellevue als Sitz des Bundespräsidenten wollen wir auch nicht unterschlagen.

Zusammenfassend kann man sagen, daß Berlin voller geschichtsträchtiger Bauten ist, voller avangardistischer Architektur aber auch noch voller Erinnerungs- und Mahnmale an neuzeitliche und länger vergangene Untaten von Menschen an Menschen. Zum Teil ist der Umgang mit diesen „Zeugen der Geschichte" todernst, zum Teil nehmen die Berliner es in ihrer gewohnt humoristischen Art. So ragt etwa ganz unvermittelt die Front des ehemaligen Anhalterbahnhofs als Mahnmal in die Gegend. Von hier - so informiert eine Gedenktafel - wurden die Berliner Juden deportiert.

Auch das im September 2001 nach Plänen von Daniel Libeskind eröffnete Jüdische Museum hat mit seiner silbernen Fassade, deren Fenster wie „Sehschlitze" wirken, eine fast bedrohliche Ausstrahlung.

 

Am Checkpoint Charly hingegen herrscht ausgelassene Stimmung auch wenn hier früher zwei unvereinbare Welten aufeinander trafen. Auch Trabis sieht man manchmal noch fröhlich im Straßenbild.

Die Bundeshauptstadt mit ihren 3,4 Millionen Einwohnern hat natürlich noch viel mehr Gesichter. Zum Beispiel den Stadtteil Kreuzberg, in dem jeder dritte Bewohner einen Migrationshintergrund hat, wie es heutzutage politisch korrekt heißt.

Oder die graue Betonwüste rund um den Alexanderplatz mit seiner berühmten Weltzeituhr.

Aber um alle Facetten dieser faszinierenden Großstadt zu erleben, müssen wir wohl noch einige Male unseren Phoenix zum -Stellplatz- in die Chausseestraße 82 lenken.Hier steht man relativ ruhig und vor allem zentral. Wir konnten alle Wege mit dem Fahrrad zurücklegen. In zehn Minuten ist man zu Angies Haustür geradelt.
Was will man mehr?

Außerdem wächst Berlin ja weiter. Großbaustellen wie diese wird es wohl noch lange geben.
Hier entsteht schon seit ein paar Jahren das neue Hauptquartier des BND. 2012 soll es bezogen werden.

Für uns ein Grund, dann mal wieder nach Berlin zu kommen und bei den Jungs vom Geheimdienst mit unserem Tele durchs Fenster zu schauen ........

Berliner Klopsgeschichte 

Ick sitz an' Tisch und esse Klops
uff eenmal klopp's.
Ick kieke, staune, wundre mir,
Uff eenmal jeht se uff, die Tür!
Nanu, denk ick, ick denk: Nanu,
Jetz is se uff, erst war se zu.
Ick jehe raus und kieke
Und wer steht draußen? - Icke.

von Heinrich Zille? 

 

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