Kathedrale für Reisende für eine Million mit drei Nullen

 

Die 30.000 Bahnfahrer, die jeden Tag am Berliner Hauptbahnhof ein- aus- oder umsteigen können sich geschmeichelt fühlen, daß der ehemalige Bahnchef Mehdorn eine ganze Milliarde Euro hat springen lassen, um ihnen ein tolles Dach über dem Kopf zu schaffen.
Eine Milliarde, das sind immerhin eintausend Millionen!
PHOENIX wollte sich diesen Luxusbau einmal genauer ansehen und bleibt schon gleich fasziniert draußen stehen. Da klettern doch an der gitterartigen Fassade junge Kerle todesmutig empor und bringen die Weihnachtsbeleuchtung an.

Hinter der Eingangstür beginnt aber erst das richtige Staunen. Auf fünf Ebenen kreuzen sich Intercitys und Regionalbahnen, kommen S- und U-Bahnen an, rollen 28 Rolltreppen vor sich hin und fahren 14 Fahrstühle auf und ab. Die Stadtbahn durchquert auf einer 10 m hohen Brücke die Bahnhofshalle. Ein atemberaubendes Raumfeeling!

Der größte Kreuzungsbahnhof Europas wurde nach elfjähriger Bauzeit im Mai 2006 pünktlich zur Fußballweltmeisterschaft eröffnet und wirkt durch seine aus 9000 Einzelfenstern bestehende gläserne Hülle wie eine Kathedrale. Der umbaute Raum ist lichtdurchflutet und die großen Öffnungen in der Decke lassen Tageslicht bis zu den unteren Gleisen gelangen, die 15 m unter der Erde liegen.

Gerade diese unterste Ebene, die im Fahrplan als „Hauptbahnhof tief" bezeichnet wird, hat während der Bauphase die meiste Phantasie erfordert. Zunächst einmal wurden auf 90.000 qm Fläche (der menschliche Verstand rechnet ja immer gern in Fußballfeldern: also auf einer Fläche von 11 Fußballfeldern) die Baugruben ausgehoben. Nachdem 1,5 Mio Kubikmeter Erde per Schiff abtransportiert waren, mußte der 1,5 m dicke Boden der untersten Halle von Froschmännern im Tauchgang betoniert und zu allem Überfluß auch noch die Spree für ein paar Jahre umgeleitet werden.

Außer einem modernen Bahnhofsgebäude ist gleichzeitig ein Einkaufszentrum auf 15.000 qm Fläche entstanden, die 80 Geschäfte und Restaurants untereinander aufteilen. Das Ganze wird überspannt von einem gewölbten Glasdach, das der Architekt Meinhard von Gerkan gänzlich ohne Stützpfeiler konstruierte.

Auch wenn es diverse Streitigkeiten zwischen Architekt und Bahnchef um die Dachgestaltung gab, so ist doch ein Gebäude entstanden, das mehr Kunstwerk als Gebrauchsgegenstand ist.
PHOENIX fühlt sich in diesem Ambiente wie ein kleines Faller-Männchen in der Pappmaché -Landschaft einer Modelleisenbahn.

Für alle Besucher Berlins ist der neue Hauptbahnhof ein freundliches Eingangstor zu einer faszinierenden Stadt, für die treuen PHOENIX-Leser soll er der Anfang sein zu einer Stadtführung der ungewöhnlichen Art. Laßt Euch überraschen..........

 

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