Dienstag, 25. August  2020

Der Satz, daß die Zeit vergeht, ist Unsinn. Die Zeit bleibt - wir vergehen.


Mehr als fünf Monate hält sie nun bereits an, die Corona-Pandemie. Zumindest ist diese weltumspannende Infektionskrankheit so lange schon ganz weit vorn im Bewußtsein der meisten Leute in Deutschland und sicherlich vieler Menschen auf unserer Erde. Einige Wochen vorher hatte man zum ersten Mal von dem neuartigen Virus gehört, damals war es noch j.w.d. - ganz weit weg - in China. 

Seither ist nichts mehr wie es war, eine neue Zeitrechnung hat begonnen. Niemand hätte zu Jahresbeginn auch nur annähernd ahnen können, daß eine Seuche in diesem Zwillingsjahr 2020 die Welt in ein gigantisches künstliches soziales Koma versetzen würde. Vielen Plänen und Träumen wurde der Boden unter den Füßen weg gezogen. Eine wirtschaftliche Katastrophe, ein kulturelles Desaster und für viele unserer Reisefreunde ein Schlag ins Gesicht.

Heute vor genau einem Jahr steckten wir mit unserer Reisegruppe mitten in der Taklamakan, der „Wüste ohne Wiederkehr“ im Westen Chinas.

Wir waren kurz davor, dieses schwierigste all unserer Reiseleiter-Abenteuer ein zweites Mal zu bestehen und fühlten uns wie im Rausch, im Flow, im Endspurt nach einem kräftezehrenden Lauf.

Nun ist alles anders. Wir sind geerdet, entspannt, erholt, ausgeruht und leben im Hier und Jetzt ohne Verantwortung für andere, ohne Verpflichtungen und bevorstehendes Kofferpacken. Von Hundert auf Null! Einziger Termin des Tages: Der Sonnenuntergang! Da gilt es schon pünktlich zu sein, wenn man der Sonne beim Schlafengehen zusehen will. Und wenn man so auf den Horizont blickt mit einem Sundowner im Glas, dann nimmt das Drumherum ein anderes Tempo an. Sitzen, schauen, zufrieden sein........



Nach den unzähligen Kilometern auf Traumstraßen dieser Welt, den vielen Reiseteilnehmern in unserer Obhut, den anspruchsvollen Aufgaben, die es zu meistern galt und der vielfach täglichen Berichterstattung, fühlt es sich an als seien wir in einen Kaninchenbau gekrabbelt und auf direktem Wege plötzlich in Alices Wunderland angekommen. Kaum wiederzuerkennen - diese unsere Welt!

Menschen tragen Masken vor den Gesichtern, Fernziele sind unerreichbar, Grenzen sind geschlossen, manche nicht mehr - andere bald wieder. Alte Gewißheiten sind erstaunlich fragil.......
Unser mobiles Leben ist zum Stillstand gekommen - und das ist auch ganz gut so. Wir atmen und dürfen einfach nur sein. Wir haben keine Planung über den angebrochenen Tag hinaus. 

Wir genießen diesen grandiosen Sommer-Sommer, der nun wohl bald in den Herbst übergehen wird und sind dankbar, gesund zu sein. Und wenn es uns überkommt, dann gehen wir ins Glücks-Café und essen Himbeertorte. Einfach so, ohne auf die Uhr zu schauen.



Wir haben immer wieder liebenswerten Kontakt zu ehemaligen Reisegefährten und werden sicherlich mit unserem Phoenix auch wieder auf Tour gehen. Ganz bestimmt in engeren Kreisen als bisher. Nach der erfolgreichen Chinareise im letzten Sommer sind wir zum Jahresabschluß 2019 noch 15.000 Kilometer um und durch Australien gereist. In diesem Jahr halten wie es wie die Ameisen in dem gleichnamigen Gedicht von Joachim Ringelnatz:

 

In Hamburg lebten zwei Ameisen,
Die wollten nach Australien reisen.
Bei Altona auf der Chaussee.
Da taten ihnen die Beine weh,
Und da verzichteten sie weise
Dann auf den letzten Teil der Reise.
So will man oft und kann doch nicht
Und leistet dann recht gern Verzicht.


Wir wünschen allen unseren Lesern Gesundheit und ein fröhliches Gemüt! Alles wird gut!


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