Freitag, 30. April  2020
Wir sind in Nordfriesland
 
Auf der Couch des Lebens
 
Früher - ach, wann war früher? Früher haben wir bisweilen jeden Tag ein kleines Update geschrieben über unser mobiles Leben. Dieses Leben, das schon so viele Wendungen genommen hat. Nachdem wir jahrein, jahraus mit unzähligen Reisegruppen die Welt entdeckt haben, hatten wir uns vorgenommen, ab Mitte März twentytwenty uns selbst in den Ruhestand zu versetzen, um in unserem schönen Heimatland im Allgemeinen und in Nordfriesland im Besonderen einfach einmal NICHTS zu tun. 
 
Dieses Vorhaben - von langer Hand geplant - wurde vom Schicksal umdefiniert. Aus einer freiwilligen Aktion, bei der man zum Beispiel plant, ein Stück Kuchen zu genießen, entwickelte sich eine Eigendynamik, als ob man von einer höheren Macht mit dem Gesicht in die Torte hinein gedrückt wird, daß die Sahne nur so seitlich wegspritzt.
 
Die weltweite Corona-Krise hat unser Leben erfaßt aber nicht wirklich durcheinander gebracht. Wir haben genau das gefunden, was wir gesucht hatten: Ruhe, Stillstand, Rückzug, meditative Einkehr, ungestörte Zweisamkeit. Ein Leben ohne Uhr und ohne Kalender. Wir sitzen auf der Couch des Lebens und schauen dem Nichts beim Nichten zu.
 
Was hätte es da zu berichten gegeben? Seit fast drei Wochen ist unsere Homepage wie eingefroren. Die Tage verrinnen während sie länger und heller werden, die Bäume werden grün und die gesamte Welt befindet sich im Shutdown. Ja, was hätte es da zu berichten gegeben? Nun wurden wir aufgerüttelt von Erich.

„...auch in schlechten Zeiten mal etwas von euch zu hören wäre doch ganz nett oder???“ 
 
So schrieb Erich in unserem Gästebuch in Anspielung auf unseren Jubiläumsrückblick, in dem wir die Beziehung zu unserem Phoenix beschrieben hatten in guten wie in schlechten Zeiten.
Ja, recht hat er! Wir sollten uns mal wieder melden! Obwohl es nicht leicht fällt, in diesen harten Zeiten zuzugeben, daß man selber gut drauf ist. Während Millionen Menschen um ihre Existenz kämpfen, Homeoffice und Homeschooling unter einen Hut bringen müssen oder gar infiziert und krank sind, radeln wir durch Schafherden, freuen uns an Rapsfeldern und Herrenhäusern und genießen das stabile Hoch mit unfaßbar vielen Sonnenstunden in den letzten sechs Wochen.
 
 
Muß man da nicht ein schlechtes Gewissen haben? Weil wir nicht von Ausgangssperre und Kurzarbeit betroffen sind? Weil wir uns über Sonne beim Fahrradfahren freuen, obwohl wir wissen, daß die Landwirtschaft dringend Regen braucht? Wir würden uns solch ein schlechtes Gewissen zulegen, wenn es den Betroffenen helfen würde. Da aber effektiv niemand etwas davon hätte, wenn es uns schlecht ginge, bleiben wir bei unserem hellen Gemüt und haben großen Respekt vor allen, die in dieser Situation den Laden am Laufen halten und vor den Entscheidungsträgern in diesem unseren Land, in deren Schuhen wir nicht stecken möchten.
 
Wir haben für uns persönlich das Gefühl, wir holen uns jetzt in einem Rutsch die Ruhephasen, die uns in den letzten wilden Jahren gefehlt haben. Wir lesen jetzt dicke Bücher oder mehrteilige Wälzer, an die wir uns mangels Zeit vorher nicht heran getraut hatten. Wir bummeln über den Wochenmarkt, der als Outdoor-Event von der Maskenpflicht ausgenommen ist, und kochen ausgiebig, weil Zeit keine Rolle spielt. Wir stecken in einer Zeitblase, die uns ganz allein gehört. 
 

Obwohl uns natürlich auch die Worte des Kabarettisten Fritz Eckenga im Ohr klingen, der schon vor Jahren sagte:

„Draußen hängt die Welt in Fetzen, lass uns drinnen Speck ansetzen.“ 

Also raus mit Walkingstöcken und Laufschuhen und auf der Apple-Watch Kreise schließen!

 
Kein Mensch weiß, wie es weitergeht. Ob wir diesen kleinen unsichtbaren Feind besiegen werden - und wenn ja, wann. Die Welt ist heute eine andere als noch vor drei Monaten. Realität verändert sich. Dazu paßt vielleicht, daß Kathrin gerade die „Outlander-Saga“ liest, in der eine junge Frau in den schottischen Highlands durch eine Zeitspalte 200 Jahre in die Vergangenheit katapultiert wird, während Hans-Hermann sich mental in der düsteren Zukunft der Tribute von Panem bewegt. Und trotzdem treffen wir uns gemeinsam im Jahr 2020 zum allabendlichen Sundowner.
 
 
Bleibt gesund, bleibt optimistisch, bleibt offen für Veränderung und bleibt auf Abstand!
 
Wir schaffen das......

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