Wenn der Berg ruft . . . . .

......dann kommen auch die Höhenängstlichen!

Wir stammen ja bekanntlich von der Waterkant und da der Mensch die Abwechslung liebt, wollten wir einmal richtig in die Berge. Nicht in den Harz zum Brocken oder auf den Wilseder Berg in der Lüneburger Heide (wobei wir beide Gegenden sehr schätzen!), sondern so richtig in die Alpen mit Gletscherüberzug und allem Drum und Dran.

So fuhren wir in den südöstlichsten Zipfel Deutschlands, der fast wie eine Enklave mitten in Österreich wirkt, ins Berchtesgadener Land. Dort gibt es zwar viele Berge aber nahezu keine Wohnmobilstellplätze. Drei Campingplätze sind aber ganzjährig geöffnet und alle drei bieten Bergpanorama vom Feinsten. Wir haben uns für den ACSI-Camping  Allweglehen  in Unterau entschieden.

Alle drei sind etwa gleich weit entfernt von der Verkehrsdrehscheibe, wo alle Wanderfreunde alle Nase lang vorbeikommen, dem ZOB in Berchtesgaden. Durch die vielen Berge, die der Wanderfreund ja gerade sucht, kommt der Fahrradfreund - sofern er nicht gerade Mountainbiker ist und den Berg im Namen trägt - etwas zu kurz. So wurden auch wir als erklärte Fahrradfreunde zu Buspassagieren.

Der Unterschied zwischen Wohnmobilstellplatz und Campingplatz liegt nicht nur darin, daß es auf Campingplätzen Waschmaschinen gibt, sondern auch darin, daß man dort oftmals Kurtaxe zahlen muß. Heutzutage verlangt ja fast jeder Ort seine eigene Kurtaxe. Meist ist das für uns Wohnmobilisten ein Ärgernis und eine unterschwellige Preiserhöhung ohne Nutzen.

In Berchtesgaden aber bekommt man für die Kurkarte einen echten Mehrwert, denn sie ist gleichzeitig Ticket für sämtliche Busse in der näheren und ferneren Umgebung. Kostenlos fährt der Wanderfreund zu Ausgangspunkten in Bad Reichenhall, Hintersee, Schönau oder ganz bis nach Salzburg (wo lediglich von den Österreichern für das letzte Stück ein kleiner Obolus von 1,50€/pro Person erhoben wird). Diese Gelegenheit haben wir uns natürlich nicht entgehen lassen und sind zum Stadtbummel nach Salzburg gefahren.

Wenn man das System erst einmal durchschaut hat, dann weiß man es auch zu nutzen und zu schätzen. So haben wir uns wieder einmal ein Wanderbuch gekauft (das inzwischen dritte aus der Serie der Rother Wanderführer, die eine kurze aber prägnante Kategorisierung der Tour nebst Karte voranstellen, um dann ebenso kurz und treffend den Weg zu beschreiben).

Jeden Abend steckten wir also die Köpfe zusammen und studierten die Routenvorschläge. Was sollten wir uns für den kommenden Tag vornehmen?

Eine blaue Strecke oder doch eine als rot klassifizierte Wanderroute, die dann aber nur für Schwindelfreie und mit gutem Schuhwerk zu bewältigen sein sollte.

An dem Schuhwerk sollte es nicht scheitern.

In ein ordentliches Paar Wanderstiefel hatten wir investiert und auch die Leki-Stöcke verliehen uns das Aussehen von erfahrenen Wanderern.

Ganz besondere Authentizität erlangte unser Zwei-Mann-Team durch den Neuerwerb einer

Hirschledernen,

die Hans-Hermann fast schon zum Einheimischen werden ließ.

Wenn da nicht diese Höhenangst gewesen wäre......

Also beschränkten wir uns zunächst einmal auf die blauen Routenvorschläge, die noch relativ harmloser Natur sind. Auch in dieser Kategorie gibt es schon genug, um einen dreiwöchigen Urlaub abwechslungsreich gestalten zu können.

Den Soleleitungsweg, der immer schön parallel zum Berg am Fuße des „Toten Mannes" vorbeiführt oder den hübschen Aufstieg zur Kneifelspitze, dem Hausberg der Berchtesgadener.

Schon am Startpunkt in Maria Germ bietet sich ein so fantastischer Blick auf den Watzmann (mit Frau und Kindern, wie man die kleinen Spitzen nennt), daß sich allein dafür die 25-minütige Anfahrt mit dem Bus lohnt.

Als wir Anfang März zur Kneifelspitze wanderten, blühten überall im Wald die Christrosen, von den Einheimischen liebevoll „Schneekaterln" genannt.

Die Berchtesgadener haben aber nicht nur Sinn für poetische Blumennamen, sondern auch ein Herz für Wanderer und so bauen sie auf fast jeden Gipfel eine bewirtschaftetet Hütte, was dem Wanderer die Möglichkeit eröffnet, seinen gelungenen Aufstieg mit einem Gipfelbier zu feiern.

Für manche Hüttenwirtschaften waren wir aber zu früh. Nein, nicht tageszeitlich gesehen! Da gehören wir eher der Fraktion der Spätstarter an, weil wir ohne ein ausgiebiges Brötchen- und Zeitungsfrühstück nur schwer zum Gipfelsturm zu bewegen sind. Jahreszeitlich gesehen gehörten wir - Ende März/Anfang April - hingegen zur Fraktion der Frühstarter, denn die Bergwandersaison geht eigentlich erst im Mai so richtig los. Vorher liegt noch zu viel Schnee in dieser Höhe, was uns aber nicht davon abgehalten hat, an einem sonnigen Tag durch das Wimbachtal zur Wimbachgrieshütte zu wandern.

Wenn die Wirtschaft noch nicht für uns bereit ist, dann sind wir eben auf alles selbst vorbereitet. Ein zünftiges Picknick paßt allemal in den Rucksack - wenn wir dafür das Panorama gratis bekommen.

Diese Wanderung durch das Hochtal zwischen Watzmann-Massiv und Hochkalter ist landschaftlich besonders reizvoll. Man weiß gar nicht, wohin man den Kopf zuerst wenden soll vor lauter Gipfeln - Einer schöner als der andere.

Wenn man mit dem Bus zu einem noch etwas weiter entlegenen Ausgangspunkt fährt, dann erreicht man nach etwa 40 Minuten den Hintersee

Von hier aus kann man durch die sogenannten Ramsauer Dolomiten bis zum Hirschbichlpaß wandern, wo unsere österreichischen Nachbarn ihre Grenze abgesteckt haben und man nach der Vesperpause quasi wieder „einreisen" muß.

 

Auch diese Tour kann man allen Schwindelkranken empfehlen, die „ausgesetzte Wege", wie es im Fachjargon heißt, mit aller Macht zu meiden versuchenn.

Irgendwann locken dann aber auch die anderen Gipfel, zumindest diejenigen Teammitglieder, die diese Sorgen nicht haben. Und dann wächst der Druck auf die anderen, nicht immer als Bremse dazustehen und vielleicht ist auch ein ganz klein bißchen Neugierde dabei, wie es denn wohl da oben aussehen mag auf den höheren Bergen und wie es sich anfühlen könnte, wenn man den inneren Schweinehund besiegt hat und den Füßen den Befehl gegeben hat, in Regionen vorzudringen, an die der Kopf eigentlich gar nicht denken möchte.

Und dann nimmt man sich eines Tages doch eine rote Strecke vor auch wenn der Appetit beim Frühstück leicht eingeschränkt ist. Und man klettert auf den Grünstein.

Ausgangspunkt ist in dem Fall Schönau, wie immer über die Drehscheibe Berchtesgaden ZOB bequem zu erreichen. Zunächst ist ja noch alles easy. Der Weg verläuft im Wald, die Gebirgsjäger haben auch gerade Wandertag und ziehen in Scharen mit großem Gepäck den Berg hinauf und das Wetter stellt auch keine Bedrohung dar. Dann kommt der Gipfel, der nicht so ganz geräumig aussieht und ringsherum geht es relativ steil nach unten.

Zugegeben: Die Aussicht auf den Königssee und das Watzmannmassiv ist gigantisch - und da das Gipfelkreuz nun einmal in Sicht ist, läßt sich auch der größte Hasenfuß nicht lumpen und überwindet die Engstelle, um dann - Ehre wem Ehre gebührt! - beim Beweisfoto triumphierend zu strahlen.

Wer erst einmal Blut geleckt hat, den lassen die Berge nicht mehr los. Und im Berchtesgadener Land lauern sie ja von allen Seiten. In die entgegengesetzte Richtung - vom Grünstein aus gesehen - kommt man auch mit dem Bus: Zum Untersberg.

D.h. mit dem Bus kommt man bis Marktschellenberg, auf den Untersberg muß man dann schon selber klettern. Das eigentliche Ziel dieser Tour ist Europas größte Eishöhle. Dafür war es aber im März/April als wir dort waren, definitiv noch zu kalt. Ab etwa 1200m lag sulziger Schnee, der einen Aufstieg bis ganz nach oben zu mühsam und zu gefährlich gemacht hätte. Aber in erreichbarer Höhe lag die Toni Lenz Hütte, so dachten wir zumindest. Beim Anstieg schickten wir immer mal wieder fragende Blicke in die Felswand, kämpften uns aber weiter nach oben.

Zwei entgegenkommende erfahrene Wanderer bremsten dann allerdings unseren Enthusiasmus und empfahlen am Aussichtspunkt umzukehren, da der Weg bei diesen Schneeverhältnissen zur Hütte unpassierbar sei.

In so einem Moment schlägt die Stunde der Höhenängstlichen - da kommen sie ganz groß raus: „Ich war ja bereit, über das Steilstück zu klettern aaaber gegen Naturgewalten kann man eben nix machen." So oder so ähnlich geht das dann. Und dann freuen sie sich im Verborgenen, daß sie nun bald umkehren können und die Expedition abgebrochen wird, ohne daß sie dafür verantwortlich sind. Kleinlaut werden sie erst, wenn sie den erwähnten Aussichtspunkt sehen.

„Oh Gott, geht's da aber steil runter!

Und dann auch noch im Schnee - da sieht man die Kante ja gar nicht so genau!"

Nun gibt es aber in solchen Momenten kein Zurück mehr.

Das Beweisfoto muß geschossen werden - Augen zu und durch!

Wir könnten jetzt noch von vielen weiteren Gipfeln schwärmen, viele reizvolle Ziele nennen. Helfen würde es sowieso nichts. Dem Reiz der Berge muß jeder selbst erliegen. Klar ist aber, daß das Berchtesgadener Land unglaublich viele Möglichkeiten bietet für abwechslungsreiche Touren. Nur stichwortartig erwähnt seien der Königssee, der Hintersee, das Endstal mit dem hohen Göll und die Kührointalm.

Diese Ziele konnten wir so früh im Jahr erwandern. Auf unserer Liste für spätere Besuche steht aber noch eine ganze Menge, was bisher für uns unter Schnee verborgen lag. Der Jenner, das Watzmannhaus, das Kehlsteinhaus und ganz besonders würde uns die Blaueishütte reizen, die vom Hintersee aus gut zu sehen ist und sich in spektakulärer Lage nahe eines Gletschers befindet. Zumindest die Schwindelfreien unter uns reizt dieses Ziel - der Rest blickt mit gemischten Gefühlen in die eisigen Höhen.

 

Ach ja, auch Berchtesgaden selbst ist ganz nett. Es hat zwar nicht so viel Lüftlemalerei wie Garmisch-Partenkirchen aber man kann den Ort getrost als idyllisch bezeichnen.

Es gibt die Watzmanntherme für Regentage, ein wirklich gut funktionierendes Busnetz und ab Ostern öffnet jedes Jahr der Wohnmobilstellplatz in Oberau. Wir haben uns auf dem Campingplatz in Unterau sehr wohl gefühlt. Die beiden Campingplätze in Schönau haben wir aber auch besichtigt und für gut befunden.

Vielleicht konnten wir hier und heute jemanden infizieren mit dem Bergvirus. Wenn ja, dann treffen wir uns bestimmt wenn es wieder heißt:

„Wir wohnen gerade in Berchtesgaden".


Nach oben