Von Lindau bis Überlingen

„Der Bodensee ist ein richtiger Verstärker. Er potenziert Ruhe und Sturm, vor allem durch Licht."

Wer Martin Walser gelesen hat, muß irgendwann auch einmal zum Bodensee. Immerhin ist er mit 536 qkm Deutschlands größter See - auch wenn die Schweizer und Österreicher ebenfalls einen Teil davon beanspruchen. Interessant ist seine Lage natürlich ganz besonders durch diese Drei-Länder-Teilung. Optisch reizvoll ist er auch durch die Alpengipfel, die man an klaren Tagen als Hintergrundkulisse sieht. Das alles wußten wir und doch waren wir noch nie da gewesen.

Ende April 2011 war es dann so weit. Wir waren sowieso in der Gegend - von Garmisch aus durchs Allgäu kommend setzten wir am nordöstlichen Ufer an. Dabei ließen wir uns aber nicht auf dem Stellplatz in Lindau nieder, sondern fuhren direkt den sehr ansprechend gestalteten Platz in  Kressbronn  an.

Diese Zufallsentscheidung erwies sich als goldrichtig, denn der Platz am Landgasthof „Dorfkrug" liegt direkt am Bodensee-Radrundweg und im Zentrum des Obstanbaugebietes.

Wir sind ja - was Stellplätze angeht - Gefühlsmenschen. Kaum haben wir eingeparkt, wissen wir meist schon, ob es sich um einen richtigen Wohlfühlplatz handelt oder nur um einen Zwischenstopp. Hier in Kressbronn war sofort klar, daß die Stimmung stimmte - positives Karma, wie wir immer scherzhaft zu sagen pflegen.

Der Platz ist recht groß, die einzelnen Stellflächen eher klein und doch so geschickt angeordnet, daß jeder sein eigenes Reich hat. Der dazugehörige Biergarten wird von Radfahrern eifrig genutzt aber auch die Wohnmobilfahrer ließen sich dort in Scharen nieder, denn von den 18 € Stellplatzgebühr (inkl. Strom+Wasser+W-Lan!) bekommt man 3 € als Verzehrgutschein. Und wer sitzt nicht gern im schönsten Sonnenschein unter hohen Kastanienbäumen und läßt sich eine knusprige Schweinshaxe mit frischgezapfter Flüßigbeilage schmecken? Sehr gepflegte Sanitäranlagen mit Duschen (1 €) machen den Platz perfekt auch für einen längeren Aufenthalt.

In fußläufiger Entfernung gelangt man entweder zur Seebrücke mit Kurpark oder auch zu einem öffentlichen Seezugang mit Kieselstrand.

Und das hat am Bodensee fast Seltenheitswert, denn viele Seeabschnitte sind in fester Hand der Villenbesitzer mit den dazu gehörenden Privatgrundstücken.

 

Nachdem wir also den Standort für uns klug gewählt hatten, fuhren wir mit den Rädern immer am See entlang nach Lindau. Die 12 flachen Kilometer verlaufen größtenteils ohne Verkehr, sind gut ausgeschildert und zur richtigen Jahreszeit ein einziger Blütentraum. Wir hatten das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein und konnten uns kaum satt sehen an den vielen kleinen Obstbäumchen.

 
In Lindau zeigt sich der See von einer ganz besonders hübschen Seite. Die weltberühmte Hafeneinfahrt hat etwas Großartiges und die Zahl der Touristen schnellt naturgemäß an der Uferpromenade und in den Altstadtgassen in die Höhe.

Lindau hat einen eigenen Stellplatz, einen begrünten Parkplatz, auf dem man sicherlich auch gut stehen kann z.B. als Ausgangspunkt für eine Rad-Tour ins österreichische Bregenz.
Wir radelten mit ein paar Eiskugeln im Bauch wieder zurück nach Kressbronn und stellten wie so oft fest, daß es durchaus reizvoll ist, eine Etappe in zwei Richtungen zu fahren, da plötzlich auf dem Rückweg der Blickwinkel ein ganz anderer ist.

Ein See fordert uns ja immer dazu heraus, ihn zu umrunden - sei es zu Fuß oder auf dem Radl. Also haben wir uns am nächsten Tag auf den Weg in die entgegengesetzte Richtung, nach Meersburg, gemacht. Dieser Streckenabschnitt war nicht ganz so reizvoll. Die Bundesstraße verläuft hier relativ dicht am See und dicht am Radweg.

Aber immerhin haben wir auf diese Weise wieder ein Stückchen des Seeufers im wahrsten Sinne des Wortes „erfahren". Und es gab auch sehr reizvolle Abschnitte, die wir nicht verschweigen wollen.

Meersburg selbst ist ein Touristen-Mekka.

Die verwinkelte Altstadt mit der alles überragenden Burg muß man einfach einmal gesehen haben. Der Hafen gibt auch diesem Städtchen seinen ganz eigenen südländischen Reiz - auch wenn bei unserem Besuch dunkle Wolken aufzogen.
 

Eigentlich hätte der Stellplatz in Kressbronn einen längeren Aufenthalt verdient gehabt aber uns fehlte die uns sonst innewohnende Ruhe. Wir wollten weiterziehen, am Nordufer entlang, bis nach Überlingen. Das Bodensee-Hinterland haben wir auf diese Weise sträflich vernachlässigt. Was uns wiederum einen Grund gibt, noch einmal wiederzukommen.
In Überlingen hat die Stadt auch ein schönes Areal als Stellplatz zur Verfügung gestellt.

Oben am Berg gelegen ist der grüne Platz zwar 1,5 km von der mediterranen Seepromenade entfernt, dafür aber ruhig und großflächig. Man kann aber mit dem Parkticket (10 €) den kostenlosen Shuttlebus in die Altstadt und zum See benutzen, der alle paar Minuten fährt.

Zu unserer großen Überraschung trafen wir Marlies und Günter aus Kiel. Die langjährigen Wohnmobilisten hatten schon seit Tagen verfolgt, daß sich unsere Wege langsam annäherten und so steuerten auch sie Überlingen an, um uns zu treffen.

Nach der Stadtbesichtigung fiel auf, daß uns nun noch das Uferstück von Überlingen zurück nach Meersburg in unserer Sammlung fehlt, denn wir hatten dieses ja bisher nur mit dem Wohnmobil zurückgelegt. Also rauf aufs Fahrrad und ab auf den Bodensee-Radrundweg. Dieses Teilstück war wieder ein Genuß. In Unteruhldingen kommt man an den berühmten Pfahlbauten vorbei, die man besichtigen kann und die Blumenpracht auf der Strecke ist einfach zauberhaft. So haben wir uns diesmal Meersburg von der anderen Seite genähert und uns noch einmal unter die vielen Touris gemischt.

Man hätte noch viele Ziele ansteuern können. Von Meersburg aus fahren die Fähren hinüber nach Konstanz. Auch Schiffsfahrten zur Insel Mainau werden angeboten. Wir hätten ans andere Ufer in die Schweiz fahren können und - wie gesagt - das Hinterland wartet auch noch. Aber irgendwie war es uns zu voll. Das 1. Mai-Wochenende stand bevor und so entschlossen wir uns, die Umrundung für das nächste Mal aufzuheben und uns mit dem Nordufer zufrieden zu geben. Man muß sich schließlich auch noch Ziele für die Zukunft aufbewahren!

Aber das ist ja auch gerade das Schöne und Spannende am Wohnmobil-Leben, sei es im Urlaub oder auf Dauer. Ganz oft sind wir schon länger an einem Ort geblieben als ursprünglich geplant. Ab und zu ziehen wir dann auch schon früher weiter als gedacht.

Keine Verpflichtungen, keine Buchung, keine Termine.

Das Gefühl von Freiheit und Abenteuer - und dafür braucht man nicht einmal eine Marlboro!


 

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