"Vom Eise befreit sind Strom und Bäche,

durch des Frühlings holden, belebenden Blick....."

 Osterurlaub 2009 in Sellin/Rügen-Ost

Wir wissen nicht, wo der alte Goethe seinen Osterspaziergang gemacht hat aber es hätte gut und gerne auf der Sonneninsel Rügen sein können.

 

Seit der Wende hat Rügen als größte deutsche Insel Sylt den Rang abgelaufen....(Korrektur: Heide aus Herne machte uns darauf aufmerksam, daß Sylt nach Fehmarn immer nur die zweitgrößte Insel war!)....und nicht nur  aufgrund der reinen Größe, sondern mehr und mehr auch was die Schönheit der Orte angeht. Bloß im Preisgefälle ist alles beim Alten geblieben: Die Übernachtung auf Sylt war letztes Jahr Ostern exakt dreimal so teuer - ganz zu schweigen von den Anfahrtskosten per Autoreisezug oder Fähre.

Rügen ist zehnmal größer als Sylt, hat aber nur dreimal so viele Einwohner. Dafür gibt es 100 Sonnenstunden pro Jahr mehr als z.B. in München, nämlich 1850 Std./Jahr. Laut Statistik scheint auf Rügen die Sonne an 65 Tagen im Jahr länger als 10 Stunden - wir hatten 12 davon!

Doch der Reihe nach: Bevor wir reif für die Insel sind, machen wir einen Zwischenstop in Stralsund auf dem Stellplatz des -Caravan-Centers-Dahnke-  in der Werftstraße. Der Kiesplatz am Firmengelände ist ganz nett angelegt, auch mit Stromsäulen, eignet sich aber wegen seiner Nähe zur neuen Rügenbrücke und den damit verbundenen Verkehrsgeräuschen nur für eine Übernachtung, um der Hansestadt einmal einen Besuch abzustatten.

Wir gehen zu Fuß in die Altstadt, die 2002 von der UNESCO zum „Kulturerbe der Menschheit“ erklärt wurde. Am Alten Markt steht das prächtige Rathaus, das mit seiner Schmuckfassade an den Giebelbau des Lübecker Rathauses erinnert.

Die Gebäude rund um diesen großen Platz sind hübsch anzusehen, die angebliche Schönheit der restlichen Innenstadt verschließt sich uns allerdings. Die drei monumentalen Kirchen Stralsunds, die Nikolaikirche, die Marienkirche und die Jacobikirche sind umgeben von Großparkplätzen oder Großbaustellen.

Die Gebäude rund um diesen großen Platz sind hübsch anzusehen, die angebliche Schönheit der restlichen Innenstadt verschließt sich uns allerdings. Die drei monumentalen Kirchen Stralsunds, die Nikolaikirche, die Marienkirche und die Jacobikirche sind umgeben von Großparkplätzen oder Großbaustellen.

 


 

 Sehenswert ist allerdings - sowohl aus architektonischer wie aus meereskundlicher Sicht - das im Juli 2008 eröffnete -Ozeaneum-. Wegen seiner baulichen Ähnlichkeit zum -Guggenheimmuseum-  in Nordspanien spricht man schon vom Bilbao-Effekt. Der vom Stuttgarter Architekturbüro Behnisch entworfene Bau erinnert an vom Wind geblähte Segel, was besonders gut passt, da das Gebäude von mehreren Seiten von Wasser umgeben ist und das Vorgänger-Schiff der heutigen Kieler Gorch Fock direkt am Eingangsbereich vor Anker liegt.

 Die Ausstellung ist ein Rundgang von der Ostsee zur Nordsee mit Glastunnel, Brandungsbecken und Schwarmfischaquarium, das allein 2,6 Mio Liter Wasser fasst, angereichert mit 80 Tonnen Salz hinter einer Acrylscheibe von 28cm Dicke, mehr als 50 qm.

 

Ein besonderer Raum ist mit Liegen ausgestattet und schwebenden Walen in Lebensgröße.

Hier kann man verharren, die Größe dieser Meeressäuger auf sich wirken lassen und ihren Gesängen lauschen. Ein lohnender Besuch!

 


 

 Am Gründonnerstag sollte es aber dann weitergehen über die neue Rügenbrücke auf die Insel. Wenn man Urlaub in einer bis dahin unbekannten Region plant, trägt man die verschiedensten Ausflugsziele zusammen und fragt sich, von welchem Stellplatz aus, man was am besten erreichen kann. Da wir zunächst die berühmten Seebäder an der Ostküste ansteuern wollen, entscheiden wir uns für den neuen 

     -Reisemobilhafen-    im Kiefernweg in Sellin. 

Wir telefonieren vorab mit dem Platzwart Johann Rüther, der uns verspricht, einen Platz über die Osterfeiertage zu reservieren. Diese Weitsicht erweist sich später als Gold wert, denn spätestens ab Karfreitag sind die etwa 50 Stellplätze komplett vergeben und ständig müssen enttäuschte Womo-Fahrer abgewiesen werden, weil einfach nichts mehr geht. Und die meisten der Glücklichen, die einen Platz ergattert haben, verlängern ihren Aufenthalt oder bleiben den ganzen Urlaub über in Sellin. So geht es uns auch. Kaum werden wir vom Platzwart herzlich begrüßt und mit Stadtplan und Wegbeschreibungen mit Sellin vertraut gemacht, fällt unsere Entscheidung: Hier wollen wir bleiben!

Wir buchen gleich für 10 Tage, denn der Südosten der Insel bietet so viel und der sehr gepflegte und gut betreute Stellplatz ist in einem wärmenden, windstillen Kessel von Bäumen umgeben so ideal gelegen, dass man gar nicht mehr weg möchte.

Rügen hat eine Nord-Süd-Ausdehnung von 51km und eine West-Ost-Ausdehnung von 43km mit recht unterschiedlichen Landschaften. Daher wollen wir erst einmal den Osten richtig kennen lernen und verschieben die Ausflugsziele im Westen auf einen späteren Urlaub. Sellin selbst ist ein mondäner Badeort und unser erster Spaziergang führt uns zum Wahrzeichen der Stadt, der feudalen Seebrücke.

In der ursprünglichen Form wurde sie schon 1906 eingeweiht, durch Sturm und Eis aber immer wieder zerstört und erneuert. 1978 folgte der totale Abriß und erst nach der Wiedervereinigung wurde von 1992-1998 dieses „Traumschloß am Meer“ wieder aufgebaut. In diesen Jahren wurden auch die unzähligen Villen restauriert, die heute in weißem Glanz erstrahlen. Besonders in der Wilhelmstraße kann man sich gar nicht satt sehen an der romantischen Bäderarchitektur.

Überhaupt entdecken wir unter Hunderten von hübsch restaurierten, vornehmen Häusern ganze zwei unrenovierte, alte Häuser, die die absolute Ausnahme bilden. Ob es früher hier überall so aussah?

Heute sind alle Straßen gepflastert, bepflanzt, mit neuen Laternen versehen. Alles vom Feinsten. Rundherum ein nobles Seebad.

Am Ostersamstag lockt ein Osterfeuer Groß und Klein an den Strand.

Sellin ist in der Granitz gelegen, einem weitläufigen, hügeligen Buchenwald, der sich im Osten bis zur Steilküste erstreckt. Wald trifft Meer! Buschwindröschen bedecken den Waldboden, Bäume kämpfen ums Überleben!

Direkt am Hochufer verläuft ein romantischer, allerdings teilweise auch beschwerlicher Wanderweg über 6 km von Sellin zum Seebad Binz. Binz ist quasi die große Schwester von Sellin. Hier ist alles noch größer, feiner, belebter. Die Hauptstraße ist zu Ostern voller Menschen, die die Sonne genießen.

Die Villen sind ebenso imposant wie in Sellin, liegen aber sogar direkt an der Strandpromenade mit Meeresblick. Auf dieser kilometerlangen Promenade, die am historischen Kurhaus vorbeiführt, lässt sich beschwingt flanieren.

Zwischen Promenade und Strand erstreckt sich ein schmales Kiefernwäldchen. Vor dem frischen Seewind versteckt man sich am besten in einem der vielen Strandkörbe.

 

Aber auch dicke Popos gibt es hier zu sehen...ob der Künstler, der diese „Statue“ erschaffen hat, an Erich Kästners Worte dachte?

Hier bist du. Und dort ist die Natur. Leider ist Verschiedenes dazwischen...

Zwischen deinen Augen und dem Meer, das sich sehnt, von dir erblickt zu werden,

laufen dauernd Menschen hin und her. Und ihr Anblick macht dir Herzbeschwerden.

Freigelassne Bäuche und Popos stehn und liegen kreuz und quer im Sande....

 

 

Bummelt man die Strandpromenade immer weiter, wird man nördlich von Binz in die Zeit des real existierenden Sozialismus zurückversetzt und sogar noch darüber hinaus. Direkt an der „Schmalen Heide“, einer 10km langen Nehrung mit Traumstrand, ragt ganz unvermittelt der Koloss von Prora in die Landschaft.

 

Eine unglaublich hässliche Ruine, die wegen ihrer Ausmaße sehenswert ist. Es ist das längste Gebäude Europas mit sagenhaften 4,5 km Länge. 1936 von der NS-Organisation „Kraft durch Freude“ als Ferienanlage geplant, wurde sie aber nie ganz vollendet. Während des zweiten Weltkrieges wurden in den Rohbauten Flüchtlinge aus dem Osten untergebracht. Zu DDR-Zeiten teilweise als Kaserne genutzt, steht das sechsgeschossige Gebäude heute unter Denkmalschutz und verschlingt jährlich 1,5Mio Euro Unterhalt.

Durch ein kleines Kiefernwäldchen gelangen wir nördlich von Prora zu den Feuersteinfeldern. Auf einer Länge von 2km und einer Breite von 400m erstreckt sich das vor 4000 Jahren von Sturmfluten hier abgelagerte „Steinerne Meer“ versteckt mitten im Wald.

Ostrügen hat aber noch mehr zu bieten: Zwischen Binz und Sellin liegt hoch oben im Wald das Granitzer Jagdschloß, ein beliebtes Ausflugsziel. Wunderschöne Wanderwege führen uns über etwa 6km zu dem herrschaftlichen Schloß, dessen 38m hohen Turm wir schon auf vielen Wanderungen zuvor von weitem erblickt hatten.

Neben der Granitz erkunden wir die Halbinsel Mönchgut, geprägt von kilometerlangen Sandstränden entlang der Außenküste und schilfbestandenen Buchten am Bodden.

Das Seebad Göhren ist hier unser erstes Ziel. Ist Binz die große Schwester von Sellin, so ist Göhren die kleine Schwester. Auch hier freuen wir uns über eine gepflegte Promenade mit kleinem Kurpark und Seebrücke.

Auf Waldwegen um das Nordperd gelangen wir an der Steilküste vom sandigen Nordstrand zum steinigen Südstrand. Mit dem Fahrrad lässt sich auch vortrefflich bis zur Spitze des Reddevitzer Höfts fahren. Es ist eine sehr lange schmale Landzunge, die sich wie ein Finger in den Rügischen Bodden hineinstreckt. Von der Spitze aus sieht man mitten im Boddengewässer ein schwimmendes Gebäude, an dem zu DDR-Zeiten jedes Segelschiff anlegen musste zur Kontrolle der Papiere und Personalien. Der einsame Schwan interessiert sich nicht für neuere deutsche Geschichte und putzt sich für uns.

 Bei Alt Reddevitz besuchen wir die Mönchguter Hofbrennerei und probieren einige Obstbrände. Auf der Terrasse kann man mit Wasser-Rundum-Blick zünftig speisen.

 
Die dritte Region Rügens, die wir unter die Wanderschuhe nehmen, ist die Halbinsel Jasmund mit der berühmten Kreideküste. Von Sassnitz aus nähern wir uns auf dem Hochuferweg dem Königsstuhl. Hier könnte man auf Schritt und Tritt fotografieren - an jeder Ecke atemberaubende Ausblicke auf die Steilküste.

Durch die ausgewaschene Kreide strahlt hier die Ostsee in karibischem Türkis.

Den besten Ausblick auf den berühmten Königsstuhl hat man von der Viktoriasicht aus.

Die 6 Euro Eintritt, um auf die Plattform des Felsens treten zu dürfen, sparen wir uns. Dafür klettern wir die 412 Stufen durch die Golchaschlucht hinab zum Strand, um dem königlichen Felsen von unten unsere Referenz zu erweisen.

Es ist faszinierend zu sehen, unter welchen Bedingungen die mächtigen Bäume ums Überleben kämpfen.

Manchmal wird so ein Kampf aber auch verloren.

Rügen hätte noch viel zu bieten. Wir müssen noch einmal wiederkommen, wenn die Bäume grünen, der Raps blüht, wenn wir die Westküste erkunden und die Insel Hiddensee. Für dieses Mal bleiben viele Erinnerungen an eine faszinierend abwechslungsreiche Landschaft, intensive Farben: das Blau des Himmels, das Grün des Wassers, das Braun des Boddenschilfs, das Weiß der Kreidefelsen und über allem die goldene Sonne von 8 Uhr morgens bis 8 Uhr abends – vom ersten bis zum letzten Urlaubstag.

Ein herzliches Dankeschön an den Wettergott! 


 

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