Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen,
wie sie die Tiere behandelt.

 

Wenn man nach Mahadma Gandhis Worten geht, dann leben wir in einer sehr großen und fortschrittlichen Nation, denn der Erlebniszoo Hannover läßt seinen Tieren eine ganz besondere Behandlung angedeihen.

Erlebniszoo Hannover - eine Reise durch alle Kontinente

Wir nehmen uns einen ganzen Tag lang Zeit und wollen den seit der Expo 2000 völlig neu gestalteten Zoo einmal ausgiebig besuchen. Der 1865 als einer der ersten Tierparks geschaffene Zoo blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Schon der Beginn war ungewöhnlich, denn die Gründung eines Aktienvereins zur Finanzierung des Tiergartens legte den Grundstein. Der Zoo sollte allen gemeinsam gehören. Der König schenkte dem noch im Bau befindlichen Zoo zwei Braunbären, die dann auch in der damals üblichen Weise hinter Gittern gehalten wurden.

 

Nach dem zweiten Weltkrieg war die Zerstörung so groß, daß der Zoo drei Jahre lang geschlossen blieb, bevor er mit neuem Konzept eine Revolution auslöste. Das „Hannoversche Grabenprinzip", bei dem die Tiere ohne Gitter - über einen breiten Graben hinweg - betrachtet werden können, wurde später weltweit kopiert.

Nachdem in den 80er Jahren die Besucherzahl durch die Konkurrenz der modernen Freizeit- und Safariparks abnahm, mußte ein neues Überlebenskonzept gefunden werden.

Seit der Weltausstellung „Expo 2000" ist durch eine komplette Neugestaltung für 65 Millionen Euro ein Erlebniszoo entstanden, der nicht nur flächenmäßig enorm erweitert wurde, sondern auch die bisherige Zoophilosophie auf den Kopf stellt. Auf 22 Hektar leben etwa 1700 Tiere in 252 Arten. 300 Mitarbeiter kümmern sich um ihr Wohlergehen und das der Besucher.

 

Das Besondere ist, daß die Zoobesucher scheinbar in den natürlichen Lebensraum der Tiere hineinversetzt werden. Dazu wurden thematisch strukturierte Erlebniswelten geschaffen, so daß die Tiere nicht nach Artenzugehörigkeit gehalten werden, sondern nach ihrem Herkunftsland. Keine störenden Gitter hindern den Betrachter an einem ausgiebigen Blick auf die Tiere, die wie in freier Wildbahn erscheinen.

 

Gleich hinter dem Eingangsbereich beginnt mit SAMBESI die afrikanische Erlebniswelt, die besonders geprägt ist von dem gleichnamigen Fluß. Hier ist eine Flußlandschaft geschaffen worden, die der Besucher auf zum Teil wackelig anmutenden Brücken überquert oder besser noch auf einem der 18 mit viel Liebe zum Detail unterschiedlich gestalteten Boote durchfährt. An einem kleinen Hafen beginnt die etwa zwölf-minütige Fahrt durch Afrika. Ein furchterregendes Schild warnt zwar vor Krokodilen, gesichtet wurden aber bisher keine. Dafür taucht plötzlich ganz in der Nähe der riesige Kopf eines Flußpferdes auf und man befürchtet, der Koloss könnte das kleine Bootchen mit Wellblechdach zum Kentern bringen. In Wirklichkeit sind selbstverständlich Sicherheitsbarrieren eingebaut, die aber so geschickt als Baumstamm oder Geröllstreifen getarnt sind, daß man sie nicht als solche wahrnimmt.

 

 

Vom Wasser aus hat man einen einmaligen Blick auf die marokkanische Kasbah, die erst dieses Jahr als traumhaft schöne Antilopenanlage eröffnet wurde.

Die Betonwände, die für viele Tiere die Abgrenzung ihres Reviers bedeuten, wurden mit viel Mühe natürlichen Felsen detailgetreu nachgebildet.

Nicht nur die großen Zoobewohner, auch die kleien Erdmännchen haben ihr eigenes liebevoll gestaltetes Areal.

Zum Betreten des Geheges der Pelikane wird man ausdrücklich ermuntert und die riesigen Vögel lassen sich nur zu gern streicheln. Wenn die Tierpflegerin mit dem leckeren Fisch kommt, gibt es allerdings kein Halten mehr.

In der Nachbarschaft leben die Flamingos an einem afrikanischen Wasserfall in wahrhaft paradiesischen Zuständen.

Die Zooarchitekten haben sich größte Mühe gegeben, damit die Tiere nicht nur artgerecht gehalten werden, sondern auch möglichst gut von den Besuchern gesehen werden können - denn das ist ja schließlich der Grund für den Zoobesuch! So wurde direkt bei den Giraffen eine Strohhütte als Safari-Lodge gebaut, bei der ein Futterkorb auf Augenhöhe der Betrachter hängt, damit man die Tiere mit den langen Hälsen aus nächster Nähe sieht, denn wo kommen sie lieber hin als zu ihrem Futter?

Und wer hat schon einmal die 50cm lange Zunge dieser Paarhufer aus nächster Nähe gesehen? 

 

Außer den besonders guten Aussichtsmöglichkeiten, die sowieso eingebaut wurden, werden den Zoobesuchern die Tiere aber auch in den bis zu 17 auf den Tag verteilten Schaufütterungen nahe gebracht. So haben wir gleich einmal zugesehen, wie den Schimpansen Obst und Gemüse zugeworfen wurden, was diese geschickt auffingen, indem sie auch die Füße als Greifwerkzeuge benutzten. Wenn man die Körpersprache dieser Menschenaffen beobachtet, dann glaubt man gern, daß nur 1,6% der Gene der Kern-DNS der Schimpansen sich vom Erbgut des Menschen unterscheiden. Gleichzeitig erklärt die Pflegerin auch die Besonderheiten der jeweiligen Tiere wie z.B. die Rangordnung im Schimpansengehege, die bei der Fütterung penibel eingehalten werden muß.

 

 

Auch die Flußpferde bekommen ihren Salat nicht einfach so in den Rachen geworfen, sondern unter fachkundiger Kommentierung des Pflegepersonals. Dadurch lernt der Mensch so einiges über die einzelnen Tierarten und man steht nicht nur als Gaffer vor einem Käfig. Denn daß ein Flußpferd nicht mit Pferden, sondern mit Schweinen verwandt ist und zur Aufrechterhaltung seiner 1,5 - 3 Tonnen Körpergewicht am Tag 40kg Grünfutter zu sich nimmt, weiß auch nicht jeder.

Die Flußpferde kann man aber auch noch aus einer ganz anderen Perspektive studieren, nämlich durch die großen Scheiben im Hippo-Canyon. Schon mal ein Flußpferd beim Aqua-Jogging beobachtet?

Außerdem gibt es neben dem Hauptweg überall Erlebnispfade im Gebüsch, wo man über alles mögliche klettern kann. Für Kinder verständlich sind die vielen Schautafeln, die ebenfalls das Bewußtsein für die Besonderheiten der einzelnen Tiere wecken sollen.

 

Im ganzen Zoo werden ständig Geschichten erzählt. So findet man auf dem Weg zum GORILLABERG, der zweiten „Erlebniswelt", ein verlassenes Forschercamp, das dazugehörige gestrandete Flugzeug und einen festgefahrenen Jeep. Auf dem Boden sieht man den „Evolutionspfad" - im unebenen Zement verewigte Fußabdrücke der Menschenaffen und daneben menschliche Spuren, die sich von nackten Füßen über Schuhsohlen bis hin zu Reifenspuren, die am Jeep enden, weiterentwickeln.

 

Dann aber gelangt man zu dem mächtigen Gorillaberg, einer der schönsten Anlagen für Menschenaffen in ganz Europa. Ein grüner Hügel mit Wasserfall, Bachlauf, Kletterbaum und Felsenhöhle als Unterschlupf.

Hier wohnt eine große Gorillafamile mit dem mächtigen Silberrücken als Clanchef. Er wird bis zu 200 kg schwer und ist eine imposante Erscheinung. In einen Felsen eingelassene Scheiben ermöglichen es dem Besucher, ganz nah an die sanften Riesen heranzukommen.

Ganz nah kommt man auf diese Weise auch an die Löwen heran. Wir hatten einen Blick auf den Fütterungsplan geworfen und fanden uns pünktlich vor der großen Scheibe des Löwen-Canyons ein. Hier wohnen Max und Camilla und leben das ganze Jahr über draußen dank Heizplatten, die in die Felsen eingelassener sind.

 

Die Löwen haben freien Ausblick auf die in direkter Nachbarschaft (wenn auch durch einen Graben getrennt) lebenden Giraffen, Zebras und Antilopen aber jagen müssen sie nicht, denn die freundliche Tierpflegerin kommt pünktlich, ruft die Raubkatzen herein, versteckt dann im ganzen Gehege das Futter, das zum Teil des Geruchs wegen zuvor im Antilopenstall gelagert worden ist, um den Jagdtrieb zu erhalten und läßt dann die Bestien wieder heraus. Sehr zur Freude der Zuschauer, für die die Raubtierfütterung immer ein Höhepunkt des Zoobesuchs ist. An diesem Tag aber kam es zu Höhepunkten der anderen Art. Max und Camilla interessierten sich nämlich nicht die Bohne für ihre Leibspeise und ignorierten die Lockrufe der Pflegerin, denn die rollige Camilla sandte offensichtlich viel verlockendere Signale aus. So erlebten wir eine -- Peepshow im Zoo -- und die Eltern mit ihren kleinen Kindern an der Hand, die eigentlich zur Fütterung erschienen waren, kamen in schwere Erklärungsnöte.

Die Fotos sind übrigens alle mit Normalobjektiv geschossen, so nah ist man den Tieren....Nach so einem kräftezehrenden Liebesspiel lag der König der Tiere brach danieder - hier sieht man eine der großen Löwenscheiben.

Die Tierpflegerin entschädigte die staunenden Zuschauer für die entfallene Fütterung mit einer Demonstration des mächtigen Löwengebisses. Aber auch die Pranke ist mit 15cm Durchmesser nicht ohne.

An Beute machenden Löwen lag es jedenfalls nicht, daß die Zebras plötzlich in wildem Galopp durch ihr Gehege rasten. Für uns war es jedoch ein toller Anblick.

Von Afrika ließen wir uns weitertreiben zum indischen Subkontinent, wo der DSCHUNGELPALAST eine weitere Erlebniswelt erschließt. Hier leben die Elefanten in einem ehemaligen Maharadschapalast. Sie haben verschiedene Böden, Sand- und Lehmkuhlen, Scheuermöglichkeiten, Regen- und Schattenplätze und einen großzügig angelegten Badepool. In ihrer Behausung scheinen sich die Dickhäuter sehr wohl zu fühlen, denn es wurden in den letzten Jahren schon einige Elefantenbabys geboren und derzeit sind vier Kühe trächtig. Das Nesthäkchen Shanty spielt besonders gern im Pool.

Obwohl die Haltung eines Elefanten 219 Euro am Tag kostet, wird in dieser hübschen Anlage eine ganze Truppe dieser Grautiere beherbergt. Den Zuschauern wird täglich sogar eine Show geboten, die gleichzeitig die Tiere beschäftigen soll. Wir sehen eine ausgiebige Schwangerschaftsgymnastik, die nicht nur die Kinder erfreut.

Als einer der Stars in der Manege seinen Pfleger mit dem Rüssel fesselt, wundert man sich schon,
wie es möglich ist, solche „Kunststücke" einzustudieren.

Da indische Elefanten seit jeher als Lasttiere arbeiten, sollen sie auch hier zeigen, was sie können. Das wunderschöne Ambiente des Dschungelpalastes verzaubert wohl jeden.

Zu einem Palast gehören aber auch die Palastaffen, die in einem eigenen Flügel des Gebäudes leben. Getreu der Geschichte, die vom Zooarchitekten erdacht wurde, handelt es sich ja um einen verlassenen Palast, der von den Tieren eingenommen wurde. Deshalb bröckelt die Farbe des Maharadschabildes schon ab. Auch die Toilettenanlagen und Imbißbuden sind auf den jeweiligen Themenbereich abgestimmt. Hier gibt es zum Beispiel echtes Indisches Wok-Essen und keine Handpizza.

Zu Indien gehört aber auch die größte aller Raubkatzen, der Tiger. Auch er wirkt hinter den Glasscheiben zum Streicheln nah. Man kann jedes Barthaar einzeln zählen.

In einem Nebentrakt des Palastes findet man eine Leopardenfamilie und eine Riesenschlange. Alles paßt thematisch zusammen. So lernen auch Kinder, daß die Tiger nicht in Afrika bei den Löwen leben, was sie bei der früheren Gestaltung des Raubtierbereiches automatisch annehmen mußten.
Die Kinder haben den Planern des Zoos offensichtlich besonders am Herzen gelegen. Ein eigener Themenbereich, MEYERS HOF, zeigt Schafe, Ponys, Schweine, Federvieh und Kühe, bei denen die Kinder die Fütterung übernehmen dürfen. Mittlerweile muß man also den Stadtkindern schon die Kühe im Zoo zeigen... Sie dürfen auch gleich ein Wettmelken veranstalten - jedoch an einer Kuhimmitation.

Die Brodelburg ist ein so faszinierender Abenteuerspielplatz, daß man den Eltern empfiehlt, dort erst zuletzt hinzugehen, da die Kinder sonst nicht mehr wegzubekommen sind und nicht einmal mehr zu den Tieren wollen. Auch drei 60-70m lange Wasserrutschen begeistern - wie man sieht - nicht nur die Kinder.

Die Zoogestalter haben in allem besonderen Wert auf Authentizität gelegt. So wurden für Meyers Hof sieben historische Fachwerkhäuser in ganz Niedersachsen abgetragen und in einjähriger Bauzeit Stein für Stein originalgetreu wieder aufgebaut.
Eine andere Baustelle ist derzeit aber noch in vollem Gange. Auf 22.000 qm entsteht YUKON BAY, eine kanadische Hafenstadt mit altem Schiffsrumpf im Zentrum, die die neue Heimat der Eisbären, Wölfe, Pinguine, Karibus, Bisons und Robben werden soll. Hier soll es Unterwasserscheiben geben, hinter denen man die Eisbären schwimmen sieht.

Das Wasser, das der Zoo benötigt, stammt übrigens aus dem Maschsee, aus dem es über unterirdische Pipelines zu den Wasseraufbereitungsanlagen des Zoos befördert wird. Allein die Flußpferde brauchen 5000 volle Badewannen. Ökologisch geht der Zoo neue Wege.
Auch was die Zuschauerunterhaltung angeht ist man hier sehr innovativ. In zwei Showarenen kann man erleben, wozu Tiere alles in der Lage sind. Astrid Lindgrens Motto: „Man kann in die Tiere nichts hinein prügeln, aber man kann manches aus ihnen heraus streicheln" wird sehr anschaulich demonstriert. Die Seelöwen scheinen die besten Freunde der Zoo-Mitarbeiter zu sein und holen sich reichlich Streicheleinheiten ab.

Papageien fliegen frei über die Köpfe der Zuschauer hinweg und dann wird auch noch ein Freiwilliger gesucht. Hans-Hermann meldet sich ohne zu wissen, was auf ihn zukommt. Als er die feste Jacke des Tierpflegers anziehen soll, schwant ihm Übles. Es heißt, damit die scharfen Krallen nicht seinen Rücken zerkratzen. Dann kommt er majestätisch frei angeflogen - der Gänsegeier - Flügelspannweite 2,70m, Gewicht 11kg. Seine Augen sind so scharf, daß er ein Nahrungsstück von 30cm Größe aus 3700m Höhe erkennt. Zum Glück nur Aas......

Ein spannender Tag mit vielen Facetten! Am Ausgang steht der dicke Waldemar und verabschiedet die Zoobesucher: „Tschüß und bis bald!", wir werden bestimmt mal wiederkommen

Löwenliebe

Als jener junge Schopenhauer
am Löwenkäfig in Berlin
der gelben Bestien Wollustschauer
sah stumm an sich vorüberziehn -

da schrieb er auf in seinem Büchlein:
„Der Löwe liebt nicht vehement.
Von Leidenschaft auch nicht ein Rüchlein;
Der schwächste Mann scheint mehr potent."

Der Wille macht noch kein Gewitter.
Gehirn! Gehirn gehört dazu.
Der muskelstarke Eisenritter
Gibt bald im Frauenschoße Ruh.

Du liebst. Und heller noch und wacher
fühlt dein Gehirn und denkt dein Herz.
Der Phallus ist ein Lustentfacher -
du stehst und schwingst dich höhenwärts.

Du liebst. Wo andre dumpf versinken,
bist du erst tausenfältig da.
Lass mich aus tausend Quellen trinken,
du Venus Reflectoria -!

Berauscht - ach, dass ichs stets so bliebe!
Getönt, bewusst, erhöht, gestuft -
Das ist die wahre Löwenliebe.
Du Raubtierfrau!
                                                         Es ruft. Es ruft.

                                         Kurt Tucholsky 

 

 

 

 

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